Mit Tradition eigenes Geld verdienen: Für die Roben von Sibilla Pavenstedt häkeln und stricken Migrantinnen.
Ausgefallene Materialien, ungewöhnliche Schnitte und klares Design zeichnen ihre Kollektion aus. Prominente wie die Schauspielerinnen Franka Potente, Heike Makatsch und Liz Baffoe schätzen die Luxus-Mode der Hamburgerin Sibilla Pavenstedt. Die 46-Jährige zählt zu den erfolgreichen Designern in Deutschland. Außerdem lehrt sie als Gastprofessorin im Bereich Modedesign und inzwischen präsentieren sogar Museen Einzelstücke von Pavenstedt in ihren Ausstellungen.
Das Besondere: Ein Teil ihrer maßgeschneiderten Kollektionen entsteht in einem sozialen Brennpunkt im Süden von Hamburg. „Made auf Veddel“ steht auf den Etiketten, denn so heißt das Herzensprojekt der Halbitalienerin. Veddel ist eine Insel in der Elbe, von der früher Auswanderer nach Übersee starteten. Heute fertigen hier acht Migrantinnen „ganz individuelle Luxusprodukte“. Demnächst kommen drei Frauen dazu. In stundenlanger Handarbeit fertigen sie vor allem Strick- und Häkelarbeiten: Bolerojäckchen aus Mohairgarn, Abendkleider aus Seidenviskose, hauchzarte Kaschmir-Schals. Jedes Stück ist ein Unikat, das später in Edel- Boutiquen hängt, zwischen großen Namen wie Jil Sander, Kenzo oder Yamamoto. Jedes Stück trägt ein Etikett mit dem handgeschriebenen Namen der Frau, die es hergestellt hat.
Mode und Integration verweben
Erst wollte Pavenstedt ein Nähprojekt starten, „bis ich in den Wohnungen entdeckte, dass dort alles umhäkelt war“. Handarbeit hat in den Herkunftsländern der Frauen eine lange Tradition und „dieses Talent fordere ich auf hohem Niveau“. Pavenstedts Ziel, „internationale Mode und Integration zu verweben“, funktioniert. Mittlerweile übernehmen die Frauen eigenständig Aufträge, setzen „in gleichbleibender Qualität“, wie Pavenstedt lobt, komplizierte Schnitte um.
„Made auf Veddel“ entstand 2008 durch eine Initiative der Modedesignerin und des Vereins „Förderwerk Elbinseln“. Aus dem Projekt entstand ein eigenständiger Verein, der sich durch Spenden finanziert. Die modern eingerichtete Schneiderwerkstatt, mitten in dem Hamburger Problembezirk, ist eine Art Begegnungsstätte geworden. Aus dem Verkauf der Kollektion fließt Geld in die Projektarbeit zurück. Damit wird die weitere Ausbildung der Frauen finanziert. Einmal pro Woche gibt es kostenlosen Nähunterricht. Die hochwertigen Nähmaschinen dürfen privat genutzt werden. Bei schwierigen Behördengängen hilft der Verein den Frauen.
In Festanstellung abgeworben
Für einen handgestrickten Schal bekommen die Migrantinnen zwischen 25 und 140 Euro. Das ist aber nicht ihr einziger Verdienst: „Es geht auch um die Wertschätzung, die den Frauen entgegengebracht wird“, weiß Sibilla Pavenstedt. Die strickenden Frauen sind zwischen 25 und 50 Jahren alt, dürfen mitreden und ihre Ideen einbringen. Sie erwirtschaften ein eigenes Einkommen, verbessern nebenbei ihre Deutschkenntnisse und bilden sich unbürokratisch fort. Zwei Frauen können inzwischen von ihrer Arbeit leben. Andere wurden in Festanstellungen in andere Ateliers abgeworben. Für Pavenstedt ist das kein Problem: „Dann bilde ich neue Frauen aus“. Weil es bei ihr so gut funktioniert, würde Pavenstedt ihr Integrationsprojekt gerne auch in anderen deutschen Städten initiieren.
Firmenporträt
Made auf Veddel
Geschäftsfeld: Strick- und Häkelarbeiten für Designer-Mode
Firmensitz: HAMBURG
Gegründet 2008
Beschäftigte 8
SPENDENKONTO
Made auf Veddel
Bankhaus Neelmeyer AG
BLZ 290 200 00
Kto. 1000614444
Weitere Porträts der Serie:
vorwärts.de/gutgemacht