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Steuerpolitik: Vier Optionen für eine gerechtere Vermögensverteilung

Wirtschaftsforscher des DIW haben die Vermögensverteilung in Deutschland untersucht und festgestellt: Die Lücke zwischen Arm und Reich ist größer als gedacht. Das möchte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans korrigieren – mit höheren Steuern auf Erbschaften und Vermögen.
von Benedikt Dittrich · 15. Juli 2020
Besonders die wohlhabende Oberschicht in Deutschland hat ihr Vermögen in Immobilien investiert.
Besonders die wohlhabende Oberschicht in Deutschland hat ihr Vermögen in Immobilien investiert.

Die Forscher*innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) können nach eigenen Angaben nun erstmals fundierte Aussagen darüber treffen, wie der Reichtum in der Bevölkerung in Deutschland verteilt ist. Dabei bestätigen sie bisherige Schätzungen: Ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung sitzt auf einem Großteil des Vermögens. Allerdings ist der Unterschied noch stärker als angenommen: „Die Konzentration der individuellen Nettovermögen in Deutschland ist höher als bislang ausgewiesen“, schreiben die Forscher*innen. Das bedeutet in Zahlen: Die oberen zehn Prozent der Bevölkerung sitzen auf zwei Drittel des Gesamtvermögens, das es in Deutschland gibt. Auf das oberste Prozent, also die reichsten der Reichen, entfällt sogar mehr als ein Drittel.

Für den SPD-Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans ist die Vermögenskonzentration auf Wenige „Gift für den sozialen Zusammenhalt“, sagte er am Mittwoch. „Wenn Vermögenszuwächse da landen, wo sie weder produktiv investiert noch konsumiert werden, und Geld fehlt, wo es zur Finanzierung des Alltags dringend gebraucht wird, dann wird Vermögensungleichheit auch zu einer empfindlichen Wachstumsbremse.“

Dabei sind nicht nur die absoluten Zahlen alarmierend, sondern auch wer das Vermögen mehrheitlich besitzt. So schreiben die Wirtschaftsforscher*innen des DIW über die vermögende Oberschicht in Deutschland: „Es handelt sich überdurchschnittlich oft um Männer, die älter, besser gebildet, selbständig und zufriedener mit ihrem Leben sind.“

Option 1: Vermögensabgabe

Eine Ungleichverteilung, die der Paritätische Wohlfahrtsverband als „geradezu absurd“ bezeichnet. In einer ersten Reaktion auf die Forschungsergebnisse fordert der Verband eine höhere Besteuerung der Reichen – vor allem mit Blick auf die Herausforderungen der aktuellen Krise. „Ob Altenpflege, Kinderbetreuung oder Bildung, von der Armutsbekämpfung bis zu Hilfe und Beratung für Menschen in existenziellen Notlagen – für einen zukunfts- und leistungsfähigen Sozialstaat sind milliardenschwere Investitionen erforderlich", sagte der Geschäftsführer des Gesamtverbands Ulrich Schneider am Mittwoch. Konkret fordert der Paritätische eine stärkere Besteuerung sehr hoher Vermögen, Einkommen und Erbschaften – selbst eine einmalige Vermögensabgabe dürfe kein Tabu sein – und die war auch von der SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken im „vorwärts“ bereits gefordert worden.

Bei der Steuerpolitik stößt der paritätische Wohlfahrtsverband auch beim Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans auf Zustimmung: „Es geht nicht um Neid, sondern um wirtschaftliche und soziale Vernunft, wenn wir die Vermögensteuer für die reichsten zwei Prozent endlich oben auf die Tagesordnung setzen“, bringt er eine mögliche politische Maßnahme ins Spiel. Auch Erbschaften im Millionenbereich könnten zur Finanzierung von Bildung und Infrastruktur herangezogen werden.

Option 2: Spitzensteuersatz erhöhen

Wie die Reichen zu höheren Abgaben verpflichtet werden könnten, dazu liegen mehrere Vorschläge auf dem Tisch. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes beispielsweise. Die könnte aber nur bedingt helfen, schätzen die Autor*innen der Studie. Denn eine weitere Erkenntnis ist, dass das Vermögen bei den Reichsten seltener auf dem Sparbuch liegt. „Wir sehen, dass die Hochvermögenden ihr Vermögen hauptsächlich in Betrieben oder nicht selbstbewohnten Immobilien halten“, erklärt Co-Autor Johannes König. Allerdings heißt es in der Studie auch weiter: „Es dominieren Anlageformen, die auf die Generierung von Erträgen abzielen“. Es wird also Vermögen investiert, um daraus noch mehr Vermögen zu machen – oft werden beispielsweise Immobilien gekauft und dann wieder vermietet.

Aus diesem Grund differenzieren die Autor*innen beim Thema Vermögenssteuer – zumindest wenn es um Vermögen geht, das in Betrieben angelegt ist. Denn dort schaffe das Vermögen auch Arbeitsplätze für andere Menschen. Eine solche Steuer könnte in Krisenzeiten die Rezession womöglich noch verschärfen, warnen sie.

Option 3: Mehr Vermögen für alle

Stattdessen sprechen sie sich für eine Reform der geförderten, privaten Altersvorsorge, aus die derzeit aus Sicht der Autor*innen wenig zielgenau ist. Das Wirtschaftsforum der SPD diskutiert im „vorwärts“ eine mögliche Reform der „Riester-Rente“.

Eine weitere Möglichkeit wäre, Menschen mit wenig finanziellem Spielraum beim Immobilienkauf zu unterstützen, wie es das DIW vorschlägt. So könnten beispielsweise Vermögenskonten gebildet werden, auf die der Staat mit einzahlt.

Option 4: Erbschaftssteuer

Auch auf eine Erbschaftssteuer gehen die Forscher*innen ein. „Ein großer Anteil des Vermögens wird vererbt“, schreiben die Autor*innen dazu, „resultiert also weder aus selbst erzieltem Einkommen noch aus Konsumverzicht heute.“ Zumal in der Studie darauf hingewiesen wird, dass eine vererbtes Unternehmen nicht zwangsläufig erfolgreich bleibt. „Sind die Erbenden keine guten Unternehmer*innen, könnte eine stärkere Besteuerung bei der Übertragung von Betriebsvermögen auch einen Beitrag zur Stärkung des Standorts Deutschland und des Arbeitsplatzerhalts sein“, schlussfolgern die Forscher daraus.

Auch dem SPD-Parteivorsitzenden kommt es natürlich auf den Erhalt von Arbeitsplätzen an. Um Vermögen in Deutschland besser zu verteilen bleibt die Steuerpolitik für ihn nur die zweite Wahl. „Das ist und bleibt ein Herumkurieren an Symptomen“, so Walter-Borjans dazu, „solange der wichtigste Schritt nicht getan ist: für bessere Löhne der Normalverdienenden zu sorgen und die steuerliche Absetzbarkeit von Top-Gehältern und Top-Boni der Spitzenmanager*innen zu begrenzen.“ Je gerechter Einkommen verteilt sei, desto weniger müsse über die Steuerpolitik korrigiert werden.

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