Stephan Weil: „Die SPD in Niedersachsen ist bereits voll im Wahlkampfmodus.“
Dirk Bleicker
Der niedersächsische Landtag hat heute Vormittag für seine Auflösung gestimmt. Beginnt damit jetzt der Wahlkampf?
Der Wahlkampf hat längst begonnen. Nachdem eine Abgeordnete der Grünen am 4. August ihren Übertritt zur CDU erklärt hat und wir damit unsere Mehrheit verloren haben, habe ich eine Auflösung des Landtags und schnelle Neuwahlen gefordert. Das ist erfreulicherweise so geschehen. Die SPD in Niedersachsen ist bereits voll im Wahlkampfmodus.
Gewählt wird schon am 15. Oktober. Was bedeutet der kurze Wahlkampf für die SPD?
Die Situation ist sicher speziell. Dass sich der Landtag auflöst und es zu einer vorgezogenen Neuwahl kommt, ist bisher erst einmal in der Geschichte Niedersachsens vorgekommen. 1970 hatte die CDU zuvor Abgeordnete zu sich herübergezogen. Die SPD ist sehr gut vorbereitet, da unsere Planungen für den regulären Wahltermin im Januar schon weit fortgeschritten gewesen sind. Trotzdem ist dieser kurzfristige Wahlkampf eine Herausforderung – die wir aber gerne annehmen. Die dubiosen Vorgänge um den Fraktionswechsel stacheln unsere Mitglieder zusätzlich an.
Parallel läuft der Wahlkampf für die Bundestagswahl am 24. September weiter – eine zusätzliche Schwierigkeit?
Es ist sicher anspruchsvoll und für uns alle anstrengend, zwei Wahlkämpfe gleichzeitig zu führen. Letztlich kann es aber sogar ein Vorteil sein. Eine hochmotivierte SPD, die einmal im Wahlkampfmodus ist, sollte niemand unterschätzen.
Die ersten Tage nach dem Verlust der Mehrheit für Rot-Grün waren von Angriffen von allen Seiten geprägt. Erwarten Sie einen harten Wahlkampf?
Der Anfang des Wahlkampfs in Niedersachsen war leider schmutzig. Das betrifft sowohl die Vorgänge rund um den Fraktionswechsel, als auch die mit bemerkenswerter Wucht geführte Kampagne gegen mich persönlich bezüglich meiner Regierungserklärung zu Volkswagen vor zwei Jahren. Dass wir öffentliche Äußerungen damals vorab von VW rechtlich haben prüfen lassen, war seit langem bekannt und in der Sache überhaupt nicht zu beanstanden. Auch FDP und CDU haben in den vorherigen Legislaturperioden Wordings mit Volkswagen abgestimmt. Deshalb ist auch der Versuch der Opposition, mich zu diskreditieren, ordentlich schief gegangen. Die Menschen in Niedersachsen möchten, dass Politik kritisch, aber verantwortungsvoll Volkswagen umgeht. Und sie wünschen sich eine politische Diskussion über die Vorstellungen, die die Parteien für das Land haben. Die SPD wird auf jeden Fall einen fairen Wahlkampf führen.
In dieser Woche will die SPD in Niedersachsen ihr Wahlprogramm vorstellen. Können Sie bereits einige Eckpunkt nennen?
Das Motto unseres Programms heißt „Zukunft und Zusammenhalt“. Was die Zukunft Niedersachsens angeht, bin ich sehr optimistisch. Wir haben in den vergangenen viereinhalb Jahren vieles erreicht, das uns helfen wird, die neuen Aufgaben mit Rückenwind anzugehen. Wir haben den Landeshaushalt saniert. Zum ersten Mal in der Geschichte Niedersachsens nimmt das Land keine neuen Schulden auf. Das gibt uns die Möglichkeit, neue Schwerpunkte zu setzen. So wollen wir die gebührenfreie Bildung überall in Niedersachsen durchsetzen, von der Kita bis zur Meisterausbildung. Das Studium wird selbstverständlich kostenfrei bleiben. Auch den ländlichen Raum, der in einem Flächenland wie Niedersachsen höchste Bedeutung hat, wollen wir stärker fördern. Überall soll es schnelles Internet mit einem Gigabit pro Sekunde geben. Für junge Menschen werden wir die Preise für den Öffentlichen Personennahverkehr deutlich reduzieren. Ich bin mir sicher, dass dadurch die Attraktivität für das Leben auf dem Land für junge Leute deutlich steigen wird. Und wir wollen massiv in soziale Infrastruktur investieren. Wir sanieren flächendecken die Krankenhäuser in Niedersachsen und werden dafür sorgen, dass in den kommenden fünf Jahren mehr als 125.000 Wohnungen im Land neu entstehen. Die Schwerpunkte, die wir mit unserem Programm setzen, werden auf große Zustimmung in der Bevölkerung stoßen.
Mit welchem Koalitionspartner können Sie all diese Punkte am besten umsetzen?
Die rot-grüne Landesregierung hat in den vergangenen viereinhalb Jahren sehr erfolgreich gearbeitet. Auch menschlich stimmt es. Deshalb würde ich die gemeinsame Arbeit gerne fortsetzen.
Und wenn das Wahlergebnis nur für eine große Koalition reicht?
Das Verhältnis zwischen den beiden großen Parteien in Niedersachsen ist belastet, nicht erst nach den Vorgängen um den Fraktionswechsel der Grünen-Abgeordneten. Eine große Koalition nach der Landtagswahl halte ich deshalb für sehr unwahrscheinlich.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.