Auf den Skandal um das Abhörprogramm Prism hat die Bundesregierung nur zögerlich reagiert. Nun gerät sie unter Druck. Unter Kanzlerin Merkel sei ein riesiger Schaden für das deutsche Volk entstanden, kritisiert Peer Steinbrück.
„Der BND hat wissen können und wissen müssen, dass Grundrechte in Deutschland verletzt wurden“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück in einem Interview mit der Bild am Sonntag. Er verwies darauf, dass der deutsche Geheimdienst vom Kanzleramt koordiniert werde. „Wer hinter dem Steuer sitzt, trägt die Verantwortung“, betonte Steinbrück.
In einem am Montag veröffentlichten Beitrag für den Tagesspiegel legte Steinbrück noch einmal nach. Angela Merkel und ihr Kabinett hätten den Amtseid abgelegt, Schaden vom deutschen Volk zu wenden. Demnach müsse die Regierung die in der Verfassung verankerten Grundrechte schützen.
Den Medienberichten zufolge hätten Geheimdienste diese Grundrechte in Deutschland systematisch verletzt, schreibt Steinbrück in seinem Beitrag. „Flächendeckend wurden Telefonate, E-Mails, soziale Netzwerke, Internetverbindungen ausgespäht.“ Die scheibchenweise Reaktion der Bundesregierung lasse nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder habe sie von den Vorgängen gewusst, oder sie sei „eingepennt“. Schließlich sei unbestritten, dass deutsche Nachrichtendienste die Arbeit und Informationen anderer Geheimdienste mitbenutzt haben.
Steinbrück: „verteidigen Grundrechte gegen Terroristen“
Zwar leisteten die Nachrichtendienste unerlässliche Arbeit, um Terroranschläge abzuwehren, schreibt Steinbrück. Die freiheitlichen Grundrechte des Rechtsstaates stellten jedoch eine rote Linie dar, die nicht überschritten werden dürfe. „Genau diese sind es doch, die wir gegen freiheitsverachtende Terroristen verteidigen“, so Steinbrück.
Kritik übt die SPD auch an Innenminister Hans-Peter Friedrich. Dieser war am Freitag und Samstag in Washington, wo er mit US-Regierungsvertretern sprach. Wesentliche neue Erkenntnisse brachte er nicht von der Reise mit. Dafür verteidigte Friedrich das Programm Prism nach den Gesprächen als ein „Programm, wie es vergleichbar im Grunde alle Nachrichtendienste weltweit einsetzen.“
Friedrich habe sich „durch die windelweichen Erklärungen der US-Administration abspeisen lassen“, kommentierte Steinbrück den Besuch. Das Parlament müsse nun die Aufklärungsarbeit leisten, der sich die Bundesregierung entziehe.
Der Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann bezeichnete Friedrichs Reise als Desaster. „Friedrich ist mit leeren Händen zurückgekehrt.“ Der Innenminister sei sichtlich überfordert, sagte Oppermann. Auch der Fraktionschef der Grünen Jürgen Trittin urteilte: Friedrich habe „schlicht und ergreifend versagt“.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.