Inland

Steinbrück betroffen von Not und Armut in Athen

von Karin Nink · 7. Februar 2013

Bei seinem Besuch in Athen am Mittwoch begegnete Peer Steinbrück nicht nur der politischen Spitze des Landes, er erlebte auch die Armut der Menschen hautnah.

Es ist der erste Termin von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück an diesem Morgen in Athen: das städtische „Zentrum für Bürgersolidarität.  Bei seiner Stippvisite in Griechenland will der ehemalige Bundesfinanzminister anders als in Irland und Großbritannien nicht nur über die Euro-Krise diskutieren und debattieren. Er will sich die Auswirkungen vor Ort anschauen. Da wo es am schlimmsten ist. Da, wo  sich ahnen lässt, was andere Länder erwartet, wenn vor lauter auferlegter, massiver Sparpolitik die heimische Wirtschaft in die Knie geht und die Regierung den Menschen enorme Kürzungen zumuten muss. 

Steinbrück trifft sich mit dem Athener Bürgermeister Georgios Kaminis, der das Projekt im Sommer letzten Jahres ins Leben gerufen hat. Kaminis Ziel ist es, die Not derjenigen  zu lindern, die mit ihrem stark gekürzten Lohn nicht zurechtkommen oder die komplett auf karge staatliche Hilfe angewiesen sind. Zusammen marschiert der Bürgermeister mit Steinbrück  vorbei an einem Heer von billigen Plüschtieren, an der Kleiderkammer, an Haufen von Müllsäcken mit noch nicht sortierten Spenden. Dann stehen sie in dem kleinen, mannshoch gefüllten Vorratsraum für Lebensmittel. Hier stapeln Trockenlinsen neben Konserven und anderen haltbaren Nahrungsmittel – Spenden von Unternehmen und Privatleuten. 

5200 Menschen kommen regelmäßig, um sich im „Zentrum für Bürgersolidarität“ mit Lebensmitteln versorgen zu lassen – vor allem Familien mit Kindern, deren Einkommen nicht mehr für das Lebensnotwendige reicht. Die Tendenz ist steigend.

Steinbrück fordert, soziale Auswirkungen der Krise zu betrachten

Steinbrück ist angefasst. „Hier kann man sehen, was die Wirtschaftskrise für Menschen im Einzelnen bedeutet, wenn sie von Not und Armut bedroht sind“, sagt er in der anschließenden Pressekonferenz und mahnt ein weiteres Mal, die Krise im europäischen Währungsraum nicht nur ökonomisch zu betrachten und zu diskutieren:  „Sie betrifft auch die soziale und politische Stabilität unserer Ländern“, so Steinbrück. 

Wie schwierig die Umsetzung der von der EU und der Troika verlangten, aber auch notwendigen Reformen in Griechenland ist, und wie dramatisch sich die soziale Lage in Griechenland entwickelt hat,  erfährt Steinbrück auch in den anschließenden politischen Gesprächen mit dem Chef der befreundeten Pasok-Partei, Evangelos Venizelos, Ministerpräsident Antonis Samaras, Finanzminister Yannis Stournaras und Staatspräsident Karolos Papoulias. Gleichwohl Samaras dem konservativen politischen Lager angehört, macht er im bilateralen Gespräch mit Steinbrück keinen Hehl aus den großen Problemen, die sich für seine Koalitionsregierung aus der Umsetzung der Reformen ergeben. Der Finanzminister berichtet ähnliches und Staatspräsident Papoulias bringt es vor laufenden Kameras auf den Punkt: „Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen sollten und neue Auflagen kommen, müssen wir das Volk wechseln.“

Steinbrück beendet seinen Tag in Athen, um gegenüber den Medienvertretern erneut vor sozialen und politischen Unsicherheiten in Europa zu warnen und für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu werben: „Wir betrachten immer nur die ökonomischen Ursachen der Krise und vergessen dabei die sozialen Auswirkungen auf die Menschen. Das müssen wir ändern.“


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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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