#stattblumen: „Frauen dürfen in der Krise nicht vernachlässigt werden“
Was war der Anlass für die Initiative #stattblumen?
Starken: Während der Corona-Krise wurde deutlich, dass viele gesellschaftliche Bereiche nicht mehr so funktionieren wie vorher. Ich hab mich immer gefragt, wann der große Aufschrei der Frauen kommt. Ich saß vor zwei Wochen samstagabends auf dem Sofa und habe mir gesagt: „Wir müssen da irgendwas machen.“ Deswegen habe ich am nächsten Tag Cordelia geschrieben und gefragt, ob sie Lust hat, mitzumachen.
Denn in der Corona-Krise sehen wir alles, was mit Gleichberechtigung und Frauenrechten zu tun hat, wie unter einem Brennglas. Vieles hat auch vorher nicht funktioniert. Aber jetzt sehen wir, dass zum Beispiel Pflegekräfte unterbezahlt sind. Wir sind auf sie angewiesen, ebenso auf Kassiererinnen oder auch Reinigungspersonal. Warum verdienen sie dann weniger in unserer Gesellschaft? Und in den sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten 60 Prozent Frauen. Das ist der Anlass, um zu sagen: Das können wir uns nicht länger gefallen lassen. Das können wir nicht auf uns sitzen lassen. Frauen dürfen bei der Bewältigung der Krise nicht vernachlässigt werden.
Cordelia Röders-Arnold, Sie hatten direkt Lust mitzumachen?
Röders-Arnold: Ich wusste sofort, dass Sally Recht hat. Persönlich bin ich vor allem über die Leopoldina-Initiative gestolpert, bei der mehr Männer mit den Vornamen Jürgen oder Thomas beteiligt waren als Frauen. Gleichzeitig hat sie eine Empfehlung abgegeben, wie unser gesellschaftliches Zusammenleben weitergehen soll. Frauen hatten keine Priorität. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat außerdem herausgefunden, dass Frauen in der Krise einen Großteil der Kinderbetreuung übernehmen und so ihre berufliche Zukunft riskieren. Das hat sich bei mir gesammelt, und dann kam Sallys Anfrage. Ich habe noch mal eine Nacht drüber geschlafen und dann Ja gesagt. Wir haben dann unsere 13 Erstunterzeichnerinnen gefunden und angefangen, die Forderungen zu formulieren.
Die 13 Erstunterstützerinnen kommen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Wie kam es zu dieser Auswahl?
Starken: Uns war wichtig, dass unsere Initiative überparteilich ist, dass Frauen aus unterschiedlichen Sektoren dabei sind – Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, aber auch Bloggerinnen. Denn unser Ziel ist es, in den sozialen Medien Gehör zu finden. Ich finde diese Gruppe der 13 Erstunterzeichnerinnen unglaublich toll. Denn wir haben unsere Forderungen mit ihnen zusammen erarbeitet.
Röders-Arnold: Es war so schön zu sehen, wie viele tolle Frauen ihre Leidenschaft und ihre Kompetenz eingebracht haben, um einen Appell gemeinsam zu schreiben.
„Blumen sind schön, aber man kann mit ihnen keine Miete bezahlen.“
Ihre Initiative trägt den Titel #stattblumen. Was haben Sie gegen Blumen?
Röders-Arnold: Wir haben natürlich gar nichts gegen Blumen. Blumen sind schön und ein tolles Signal der Dankbarkeit und Wertschätzung, aber es gibt viele Dinge, die wichtiger sind als Blumen. Man kann mit ihnen keine Miete zahlen, man kann damit keine Kinder betreuen und sie schützen nicht vor Gewalt.
Nach zwei Tagen haben Sie mehr als 6.000 Unterstützer*innen – sind Sie zufrieden damit?
Starken: Total. Ich dachte vorher, dass wir am Montagabend vielleicht bei 500 Unterschriften sind, wenn es gut läuft. Mit so einer großen Resonanz hätten wir nie gerechnet.
Können auch Männer die Initiative unterstützen?
Starken: Ja, bisher zählen mehr Frauen zu unseren Unterstützerinnen, aber es sind auch viele Männer dabei. Es haben sich auch männliche Politiker dazu bekannt. Ich glaube, dass wir mit unserer Initiative auch Männer erreichen. Klar, es gibt kritische Stimmen auf Twitter, aber das hält sich in Grenzen. Das Positive überwiegt. Vielleicht liegt das auch daran, dass das Thema durch die Sendung „Männerwelten“ von Joko und Klaas noch präsent ist.
Sie stellen sechs Forderungen – welche ist die wichtige?
Starken: Für mich persönlich ist es die Forderung nach einem Recht auf Schutz und Hilfe vor Gewalt, weil so ein Anspruch die Basis unserer Gesellschaft sein sollte. Aus Perspektive der Initiative könnte ich es gar nicht sagen, weil wir so unterschiedliche Lebenswelten abbilden, was sehr gut ist.
Röders-Arnold: Unsere Forderungen finden auf so vielen Ebenen statt, dass ich da gar keine Priorisierung vornehmen wollen würde, weil sie alle unglaublich wichtig sind.
Wie bereits angesprochen unterstützen schon mehr als 6.000 Menschen die Initiative. Was ist denn insgesamt Ihre Zielsetzung?
Röders-Arnold: Wir haben erst kurzfristig am Samstag entschieden, überhaupt die Unterstützer*innen zählen zu wollen. Deswegen haben wir in dieser Hinsicht auch keine konkrete Zielsetzung. In jedem Fall haben wir mehr Unterstützer*innen als wir je gedacht hätten. Auf jeden Fall freuen wir uns jetzt schon, unsere Forderungen an die Bundesregierung zu übergeben.
Starken: Es ist uns ganz wichtig, die Forderungen persönlich zu übergeben. Denn wir haben innerhalb von zwei Tagen schon eine wahnsinnige Schlagkraft entwickelt.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo