Berlin, den 14. Mai. 2009 - Schwerer Rückschlag für Linken-Chef Oskar Lafontaine. Nach dem Berliner Abgeordneten Carl Wechselberg verlässt nun erneut ein führender Linken-Politiker die Partei. Doch es kommt noch schlimmer: Mit der Europa-Abgeordneten Silvia Yvonne-Kaufmann, Spitzenkandidatin der Linken bei den letzten drei Europawahlen, wechselt erstmals ein Spitzenpolitiker der Linken direkt zur SPD. Die Parteiaustritte von Wechselberg und Kaufmann sind Ausdruck des immer stärker werdenden Protests in der Linken gegen den Radikalisierungskurs von Parteichef Oskar Lafontaine.
SPD-Chef Franz Müntefering bezeichnete im Willy-Brandt-Haus den Parteiwechsel von Frau Kaufmann zur Sozialdemokratie als "Konsequenz, die ich sehr begrüße". Angesichts der Entwicklung der Linken sei dieser Schritt "für uns nicht verwunderlich". Dennoch habe es "längere Gespräche" mit Frau Kaufmann gegeben, "wir haben es uns nicht leicht gemacht".
Müntefering kritisierte die Linke in deutlichen Worten. Einer der Gründe, warum eine Zusammenarbeit zwischen SPD und Linken auf Bundesebene nicht möglich sei, sei "die Europafeindlichkeit und der Populismus" der Linken. "Die Linke hat sich disqualifiziert für eine Zusammenarbeit in internationalen Fragen", so Müntefering. Der SPD-Chef gab die Prognose ab, die Linke werde bei der Bundestagswahl nicht gewinnen, es könne sogar sein, dass sie "abschmiert".
Martin Schulz, SPD-Spitzenkandidat zur Europawahl, kritisierte in der gemeinsamen Pressekonferenz die "Dämonisierung der demokratischen Linken durch die extremistische Linke in Europa". Silvia-Yvonne Kaufmann sah das genau so. Sie kritisierte, "dass die Linke, die SPD permanent dämonisiert" und sich "nur als Gegnerin der SPD definiert". Das Ganze "erinnert an eine unsägliche Vergangenheit". Für Teile der eigenen Linke-Fraktion im Europäischen Parlament habe sie sich "zutiefst geschämt".
Silvia-Yvonne Kaufmann, ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, erklärte ihren Wechsel zur SPD im Willy-Brandt-Haus: "Ich will ein starkes soziales und demokratisches Europa.
Als Sozialistin und überzeugte Europäerin werde ich künftig in und mit der SPD für ein Europa streiten, das für die Menschen da ist." In ihrem klaren Bekenntnis zur SPD fuhr sie fort: "Ich bin
davon überzeugt, dass es einer gestärkten Sozialdemokratie bedarf, um die politische Achse in Europa nach links zu verschieben. Mit ihrem Europamanifest hat die SPD ein überzeugendes Programm für
die Europawahlen. Das werde ich gerne unterstützen."
Harte Kritik übte die frühere Spitzenkandidatin der Linken an ihrer früheren Partei: "Pure Ideologie siegte über Vernunft." Für Kaufmann dagegen ist klar: "Mit Verbalradikalismus und
Fundamentalpposition sind die kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus und der Marktradikalismus in der EU nicht zu brechen und die Herausforderungen der Globalisierung nicht zu bewältigen." Sie
wolle "nicht länger für die europapolitische Geisterfahrt in Haftung genommen werden". Die Linke habe sich "in ihrem Nein zum Lissabonner Reformprojekt der EU endgültig einbetoniert".
Silvia-Yvonne Kaufmann kritisierte: "Dieselben Linken, die keine Gelegenheit auslassen, das Demokratiedefizit in der EU zu beklagen, verweigerten sich allen ernsthaften Schritten, die das
Europäische Projekt demokratischer machen." Die linke Fraktion im Europaparlament stellte sich zum Beispiel gegen die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative, weil sie an Lissabon gekoppelt
sei.
Für Oskar Lafontaine kommen die beiden Parteiaustritte zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Sie finden nicht nur wenige Wochen vor der Europawahl statt sondern auch noch in einer Phase, in der
die Linke in allen Umfragen deutlich abrutscht.