Inland

Spitzenkandidat in NRW: Thomas Kutschaty, der Mann der zuhören kann

Am 15. Mai wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. In der Wahlkampf-Hochphase tritt SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty vor allem als Politiker auf, der zuhört und nachfragt, sich Zeit nimmt. Ein Ortsbesuch in Bochum, mitten im Ruhrgebiet.
von Benedikt Dittrich · 10. Mai 2022
In Bochum: NRW-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty (SPD) besucht eine Notunterkunft für Geflüchtete in Bochum.
In Bochum: NRW-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty (SPD) besucht eine Notunterkunft für Geflüchtete in Bochum.

Dass das Auto pünktlich auf den Parkplatz zum letzten Termin des Tages rollt, hat Thomas Kutschaty seinen beiden Mitarbeitern zu verdanken. Mehrere Termine hintereinander in Bochum hatten den eng gestrickten Zeitplan zwischenzeitlich etwas verschoben. Was vor allem am Spitzenkandidaten der SPD in Nordrhein-Westfalen lag: Ob im AWO-Familienzentrum oder in einer Geflüchteten-Unterkunft, im Urbanen Garten oder in der Jüdischen Gemeinde, Kutschaty nahm sich überall ein paar Minuten mehr Zeit, hörte länger zu, stellte die eine Frage mehr. Ob im Gespräch mit Kindern und Eltern, Sozialarbeiter*innen und Pädagog*innen, Obdachlosen oder Geflüchteten – am Ende musste sein Personal ihn erinnern, dass am Abend auch noch Journalist*innen auf den möglichen künftigen Ministerpräsidenten von NRW warten.

An diesem Tag im April ist er vor allem im Ruhrgebiet, genauer: in Bochum unterwegs. Wahlkreise, die bei der vergangenen Landtagswahl deutlich an die SPD gingen. Kutschaty, gebürtiger Essener, will aber auch dort mit den Menschen reden. Oder vor allem zuhören. Mit SPD-Kandidat Serdar Yüksel ist er an diesem Tag vor allem beim Nachwuchs zu Besuch. Im AWO-Familienzentrum in Wattenscheid spricht der Familienvater mit Leiterin Ingrid Cirkel und Eltern über zusätzliche Betreuungsangebote für Eltern und für Kinder.

Kinderbetreuung im Fokus

Ein Problem, das ihn von da an durch den Tag begleitet: Es fehlt an „OGS“-Plätzen, Betreuungsplätzen in der Offenen Ganztagsschule. Denn es gibt offenbar einfach zu wenige davon. Im Ergebnis bleiben dadurch Eltern arbeitslos, die gerne wieder arbeiten würden, weil Arbeitgeber*innen die Betreuungssituation des Nachwuchses zu unsicher ist. „Ich würde gerne arbeiten, brauche dafür aber den OGS-Platz“, schildert eine Mutter von zwei Kindern ihre Situation. „Ein Riesen-Problem“, meint Kutschaty mit Verweis auf das Wahlprogramm der NRW-SPD. Die Kita-Gebühren wollen die Sozialdemokrat*innen abschaffen, aber auch viel mehr Geld in solche Bildungs- und Betreuungsangebote stecken. „Das ist eine politische Herausforderung, die wir zu regeln haben“, betont Kutschaty.

Es sind auch Sorgen und Ängste, die den Wahlkampf begleiten – so schildert Kutschaty es im Gespräch mit dem „vorwärts“. „Vor drei Monaten hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich Wahlkampf in Kriegszeiten machen würde.“. Im Mittelpunkt stehen in NRW akute Probleme vor Ort: die steigenden Energiepreise, die Suche nach bezahlbaren Wohnungen, die Transformation der Wirtschaft. „Und es gibt auch Menschen, die jetzt um ihren Arbeitsplatz Angst haben.“

Wahlkampf zwischen Sorgen und Wünschen

Christina Pell, Leiterin mehrerer Notunterkünfte für Geflüchtete und Obdachlose, wünscht sich von Kutschaty eine bessere Finanzierung und individuellere Unterstützung der Integrationsarbeit. Das fängt für die Pädagogin bei einfachen, aber wichtigen Dingen an: „Ein kostenloser Personalausweis wäre gut.“ Daraufhin nickt Kutschaty, meint: „Integration darf nicht am Geld scheitern.“

Aber es gibt auch Wünsche, die ­Kutschaty direkt erfüllen kann: In der jüdischen Gemeinde unterschreibt er mit Edding fix eine seiner Karten „für Leonie“. Mutter Olga Isaak hatte ihn darum gebeten. „Sie hat auch schon eine Wahl gewonnen“, erzählt sie von ihrer neunjährigen Tochter, „als Klassensprecherin“. Auf den Plakaten sehe Thomas Kutschaty so freundlich aus, schildert die Mutter ein Gespräch mit ihr. „Und dann meinte sie, dass wir wohl nie erfahren werden, ob er wirklich so nett ist.“ Von dem Treffen mit ihm muss sie Leonie nun haarklein alles erzählen, das hat sie ihr versprochen.

Ein Besuch des Gebetsraums, ein Gespräch über das soziale Engagement der jüdischen Gemeinde, viel mehr Zeit bleibt an diesem Tag dann aber leider nicht mehr. Und so muss Kutschaty, wie auch an anderer Stelle, versprechen: „Ich komme noch mal wieder.“

Eines steht fest: Nach dem Wahlkampf werden die Bürger*innen ihn an diese Versprechen erinnern. „Aber ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen“, ist ein anderer Satz, den er an diesem Tag in Bochum auch immer wieder in die Kameras, in die Mikrofone spricht.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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