Spitzen-Wahlkampf: Scholz und Baerbock im Direkt-Duell in Potsdam
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Jetzt ist das Rennen endlich eröffnet: Nachdem die SPD schon vor Monaten mit Olaf Scholz ihren Kandidaten ins Rennen schickte, folgte am Montag Annalena Baerbock bei den Grünen und nun aller Voraussicht nach Armin Laschet für die Union. Damit ist aus einem Duell ums Kanzleramt erstmals ein Dreikampf geworden. Denn alle drei Parteien, Union, Grüne und SPD, rechnen sich Chancen für das Kanzleramt aus und haben einen klaren Führungsanspruch formuliert.
Während noch unklar ist, ob CDU-Kandidat Armin Laschet in seiner Heimat Aachen antritt, steht für Scholz und Baerbock der Wahlkreis bereits fest. Die Spitzenkandidat*innen von SPD und Grünen werden im Wahlkreis 61 auf dem Wahlzettel stehen: Potsdam, Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II. Beide wohnen in der Hauptstadt Brandenburgs. Dass zwei Spitzenkandidat*innen mit Chancen auf das Kanzleramt sogar im gleichen Wahlkreis gegeneinander antreten, dürfte in der Geschichte der Bundesrepublik ebenso wie der erwartete Dreikampf einmalig sein.
Wahlkreis 61 als Wahlheimat
Wohnort und Wahlkreis sind allerdings nicht die einzige Gemeinsamkeit von Scholz und Baerbock: Beide sind gebürtige Niedersächs*innen. Scholz wurde in Osnabrück geboren, Baerbock in Hannover. Während Scholz 2021 erstmalig in Potsdam für den Bundestag kandidiert, stand Baerbock bereits 2013 und 2017 zur Wahl. Vor acht Jahren holte sie neun Prozent der Erststimmen, vor vier Jahren waren es acht. Gewonnen wurde der Wahlkreis zuletzt von Manja Schüle, die vor vier Jahren für die SPD 26,1 Prozent holte. In der Zeit regierte Scholz noch als Erster Bürgermeister in der Hansestadt Hamburg, bevor er 2018 zu seiner Frau Britta Ernst nach Potsdam zog. Schüle hingegen wechselte vor zwei Jahren als Wissenschaftsministerin ins Kabinett von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und gehört deswegen nicht mehr dem Bundestag an.
Die Konkurrent*innen von Scholz und Baerbock stehen auch schon fest: CDU-Kandidatin Saskia Ludwig holte vor vier Jahren noch mit 24,9 Prozent den zweiten Platz bei den Erststimmen. Ebenso tritt Norbert Müller wieder für die Linke an. Während die beiden Politiker*innen auf nationaler Ebene eher unbekannt sind, tritt für die Liberalen ein prominenteres Gesicht an: Linda Teuteberg, die erst vor wenigen Monaten von Parteichef Christian Lindner abgesetzte Generalsekretärin der FDP. In Potsdam kämpfte sie schon in der Vergangenheit um Direktmandat, schaffte es aber bisher nur über die Liste der Liberalen in den Bundestag.
Bei den Zweitstimmen lag im Wahlkreis 61, zu dem auch die ländlichen Kreise Teltow-Fläming und Potsdam-Mittelmark südöstlich der Landeshauptstadt zählen, mehrmals die CDU vorne, verlor aber 2017 deutlich an Prozentpunkten. Blickt man noch weiter zurück, sieht man außerdem: SPD und CDU holten bei Bundestagswahlen regelmäßig zweistellige Ergebnisse jenseits der 20 Prozent, bis 2017 mischte aber auch die Linke sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen noch kräftig mit. Die Grünen erreichten bisher nur einmal ein zweistelliges Ergebnis bei den Zweitstimmen.
Spannung im Spitzenwahlkampf vor Ort
Doch die politische Landschaft ist ohne Frage eine andere als noch 2017. Aus den Ergebnissen der Vergangenheit deshalb Prognosen für den kommenden Urnengang zu ziehen, wäre mindestens gewagt. So oder so garantiert die neue Konstellation Spannung im Wahlkreis 61. Geht mit Scholz ein schon über viele Jahre bekanntes, regierungserfahrenes Schwergewicht der Sozialdemokrat*innen ins Rennen, ist Baerbock erst seit der Übernahme des Parteivorsitzes der Grünen ins nationale Rampenlicht gerückt. Parteiintern kann Scholz auf breite Unterstützung bauen: Auf der Delegiertenkonferenz im Oktober wurde er mit 94 Prozent zum Kandidaten für die Bundestagswahl im Wahlkreis gewählt.
Der Wahlkreis bringt neben der Gegensätze zwischen der Stadt Potsdam, dem ländlichem Umland und der Nähe zu Berlin noch eine weitere Herausforderung mit sich: Es ist abgesehen von Berlin der einzige Wahlkreis in den ostdeutschen Bundesländern, den die SPD 2017 direkt gewinnen konnte. Um diesen Erfolg zu wiederholen, absolviert der Vizekanzler und Bundesfinanzminister Termine vor Ort, mischt sich in Debatten ein, lädt zu digitalen Gesprächen ein. Dass er schon seit August als Kanzlerkandidat und seit Oktober als SPD-Mann vor Ort feststeht, könnte ihm in die Hände spielen. Dass die SPD als erste Partei ein Wahlkampf-Programm vorlegen konnte, in dem auch bezahlbare Wohnungen ein wichtiger Punkt sind, ebenfalls.
Doch wie auch immer die Wähler*innen im September entscheiden: Die „Fernduelle“ der Kanzlerkandidat*innen, als am Wahlabend noch die Erststimmen-Ergebnisse von Kohl und Schröder, Merkel und Schulz quer durch die Bundesrepublik miteinander verglichen wurden, ergeben für 2021 wenig Sinn, wenn sich Scholz und Baerbock in Potsdam direkt duellieren.