Inland

SPD will gestalten, CDU blockiert: Die Baustellen der großen Koalition

Lobbyregister, Lieferketten, Arbeitsschutz – einige von der SPD geforderten Gesetzesinitiativen werden inzwischen im Bundestag diskutiert. Doch es gibt weiterhin große Baustellen, die SPD-Fraktion will noch gestalten, die Union blockiert an mehreren Stellen.
von Benedikt Dittrich · 8. April 2021
Baulandmobilisierungsgesetz: Die SPD-Fraktion drängt auf die Umsetzung des Gesetzes.
Baulandmobilisierungsgesetz: Die SPD-Fraktion drängt auf die Umsetzung des Gesetzes.

Es ist noch Bewegung in der Bundespolitik, auch sechs Monate vor der nächsten Wahl. Es gibt Kabinettsbeschlüsse, teilweise sogar schon Entwürfe, die im Bundestag diskutiert werden zum Lieferkettengesetz, zum Verbot von Werksverträgen in der Fleischindustrie, sogar das Lobbyregister konnte von CDU und CSU nach den Masken-Affären nicht mehr blockiert werden.

Allerdings: Das reicht der SPD nicht. Denn es gibt weiterhin Baustellen, die nicht allein von der Corona-Pandemie verursacht werden. Und dabei ist das gescheiterte Demokratiefördergesetz nur ein Beispiel. Andere Verhandlungen ziehen sich schon seit Jahren hin, werden von CDU/CSU verschleppt, verzögert, ausgebremst. Doch jetzt drängt die Zeit, mahnt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: „Bis zum Sommer gibt es nur noch sechs Sitzungswochen.“ Ganz konkret haben die Sozialdemokrat*innen unter anderem noch diese Projekte auf dem Zettel:

Baulandmobilisierungsgestz

Der Name des Gesetzes ist kompliziert, das Ziel hingegen einfach: Mehr günstigen Wohnraum schaffen, Spekulationen mit Bauland einschränken. Das Vorhaben geht im Grunde auf Ideen des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel zurück, der im vergangenen Jahr starb.

Im Kabinett gab es dazu im November schon eine Einigung, seitdem hängt das Gesetz im Verhandlungs-Wirrwarr fest. Dafür macht die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (BAU) vor allem die Union verantwortlich: Sie werfen ihr eine „Blockadehaltung“ vor. Das Gesetz gehört zu den Vorhaben, die bereits im Koalitionsvertrag vor mehr als drei Jahren beschlossen worden waren.

Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz soll unter anderem die Umwandlung von Miet- in Wohneigentum erschwert werden. Dieses Verhalten greift gerade in Großstädten um sich, um Mietpreisbremsen oder, wie in Berlin, den Mietendeckel zu umgehen und mit dem Betongold gute Gewinne einzufahren. Ein weiterer Baustein des Gesetzes ist ein Vorkaufsrecht für Kommunen, um brachliegende Grundstücke günstig für sozialen Wohnungsbau erwerben zu können statt es Spekulationen von Investor*innen zu überlassen. Denn die steigenden Grundstückspreise sind ein großer Kostentreiber für den Wohnungsbau.

Die SPD-Fraktion hätte das Gesetz gerne schon im ersten Quartal 2021 verabschiedet. Der baupolitische Sprecher der Fraktion Bernhard Daldrup bezeichnete das Vorhaben als elementaren Bestandteil für bezahlbaren Wohnraum. Die Fraktion habe sich zwar größere Schritte vorstellen können, so Daldrup, er sieht in dem Entwurf aber einen tragfähigen Kompromiss – auch für die Union.

EEG-Reform

Es bleibt eine Dauerbaustelle der Energiepolitik: das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Zum einen soll möglichst schnell der Preis für Strom aus Erneuerbaren Energien auch für Privatverbraucher sinken. Dafür soll die EEG-Umlage langfristig abgeschafft werden. Zum anderen muss der Ausbau der Erneuerbaren massiv beschleunigt werden. Dort hakt es allerdings nach wie vor. Unternehmen, die Windkraftanlagen oder Solarparks bauen, beklagen langsame Verfahren, hohe Hürden und Auflagen. Das bremst den Ausbau an Land und an den Küsten, von den Problemen bei den nötigen Stromtrassen von Nord nach Süd ganz zu schweigen.

Doch die Verhandlungen zwischen den Fraktionen stockten, nun legte sie die SPD auf Eis. Hintergrund war das Verhalten der Unionsseite: Für die Christdemokrat*innen verhandelt Joachim Pfeiffer bei der EEG-Reform mit, der sich aufgrund seiner Nebentätigkeiten in Widersprüche verstrickte. Die Union hält aber weiterhin an ihm fest, auch bei den Verhandlungen zur EEG-Reform. Georg Nüßlein, der für die CSU bisher mitverhandelte, musste schon aufgrund der Maskenaffäre sein Mandat abgeben.

Damit existiert das frühere Verhandlungsgremium derzeit nicht, es gibt keine Gespräche mehr zur EEG-Reform – sehr zum Unmut von Aktivist*innen aus Umwelt- und Klimaschutz-Verbänden. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch fordert deswegen eine schnelle, umfassende Klärung der Interessen von Pfeiffer und ob die Union an ihm weiterhin festhält. Miersch beklagt gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. dass die Verhandlungen schon vorher schwierig waren und es – offenbar auch wegen Pfeiffer – kaum Fortschritte gab. „Die CDU/CSU-Fraktion muss deshalb nun klären, wen sie als solide Verhandler in diese entscheidende Phase schicken möchte“, forderte der Sozialdemokrat schon vor Ostern.

Infektionsschutzgesetz

Aufgrund des Verlaufs der Corona-Pandemie fällt der Name dieses Gesetzes immer wieder. Das Infektionsschutzgesetz regelt die Kompetenzen der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, die mögliche Dauer von Maßnahmen, Begründungspflichten gegenüber dem Bundestag und vieles mehr. Nachdem es nach der letzten Ministerpräsident*innen-Konferenz aber massive Kritik an den Verhandlungen, den Maßnahmen und der Kommunikation der Bundesregierung und der Länder gab, steigt wieder der Unmut im Parlament über die Bekämpfung der Krise und ihrer Folgen.

Dass nun ausgerechnet die Bundeskanzlerin offenbar das Infektionsschutzgesetz nutzen will, um einheitliche Regeln in allen Bundesländern durchsetzen zu können, verwundert indes SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich. Schließlich habe die SPD-Fraktion das im vergangenen Jahr mehrfach vorgeschlagen und sei an der Kanzlerin selbst sowie der CDU regelmäßig gescheitert. „Wenn die Bundeskanzlerin jetzt meint, dieses Gesetz müsse gestärkt werden, dann würde ich mir wünschen, dass sie konkrete, umsetzbare Vorschläge vorlegt“, kritisierte Mützenich zu Beginn der Woche in der „Passauer Neuen Presse“.

Auch Fraktionsvize Dirk Wiese hatte im Gespräch mit dem „vorwärts“ durchblicken lassen, dass die SPD Optimierungsbedarf sehe. „Wir könnten uns die Aufnahme eines Stufenplans im Hinblick auf Verschärfungen und Lockerungen vorstellen“, so Wiese, aber: Ohne konkrete Vorschlege sieht auch der Sauerländer Sozialdemokrat keine Chance auf ein schnelles Gesetzgebungsverfahren.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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