Inland

SPD will Bürger*innen bei Energiekosten weiter entlasten

Angesichts steigender Energiekosten, setzt die SPD auf neue Entlastungen der Verbraucher*innen. Das betont Klimaexpertin Nina Scheer im Interview mit dem „vorwärts“. Sie macht Vorschläge, wie die Preissteigerungen gerecht verteilt werden sollen.
von Lars Haferkamp · 3. August 2022
Steigende Energiekosten: Die SPD will die Verbraucher*innen entlasten, betont Nina Scheer, die Energie- und Klimaexpertin der SPD-Bundestagsfraktion.
Steigende Energiekosten: Die SPD will die Verbraucher*innen entlasten, betont Nina Scheer, die Energie- und Klimaexpertin der SPD-Bundestagsfraktion.

Nina Scheer, die Bundesregierung hat heute den Ausschuss für Klimaschutz und Energie über die aktuelle Situation der Energieversorgung in Deutschland unterrichtet. Wie ist die Lage zur Zeit?

Neben zu beschleunigenden Ausbau Erneuerbarer Energien geht es akut darum, in Vorbereitung auf den Winter die Gasspeicher zu füllen und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dazu zählt etwa auch, steigende Gaspreise, die zu massiven Preiserhöhungen führen werden, im Wege einer saldierten, das heißt solidarisierten, Preisanpassung zu verteilen. Damit sollen Preissteigerungen möglichst gerecht verteilt werden. Dazu wird es im September auch noch eine weitere gesetzliche Nachsteuerung im Energiesicherungsgesetz geben.

Welche Rolle spielt das Energieeinsparen?

Eine zentrale. Wir brauchen mehr Anstrengungen und Anreize um Energie einzusparen, etwa mit dem Modell des Energiesparbonus. Denn jedes eingesparte Gas hilft, teure Gaseinkäufe geringer zu halten.

Für die SPD sind Entlastungen der Bürger*innen wichtig. Was soll hier geschehen?

Es sind ohne Frage weitere Entlastungen nötig, da die Energiepreise viele überlasten werden. Auch daran wird gearbeitet. Dies muss dann auch ergänzt werden um Kündigungsschutz, wenn Nebenkosten überfordern und die Vermeidung von Energiesperren. Und auch die Übergewinnsteuer gehört auf den Tisch. Diejenigen, die aus der Krise offenkundig Gewinn ziehen, müssen sich entsprechend an der Krisenbewältigung beteiligen.

Die drastischen Preiserhöhungen im Energiebereich treffen die Verbraucher*innen hart. Die Energieunternehmen dürfen diese an die Gaskund*innen weiterreichen. Welche Entlastungen der Verbraucher*innen sind in diesem Zusammenhang geplant?

Bereits über 30 Milliarden Euro Entlastungsmaßnahmen hat die Ampel-Koalition auf den Weg gebracht, darunter die EEG-Umlagen-Absenkung auf null, Wohngeldzuschüsse. Weitere müssen möglichst zielgerichtet folgen, damit es zu keiner Überforderung kommt. Zugleich ist klar, dass die Auswirkungen der fossilen Energiepreiskrise, wie sie nun seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verschärft wurden, nicht vollständig aufgefangen werden können. Deswegen ist es nun auch wichtig Energie zu sparen und so schnell wie möglich auf Erneuerbare Energien umzusteigen. Nur sie garantieren bezahlbare Energie für alle.

Wie genau sieht aktuell der Fahrplan für den Ausstieg aus der russischen Gasversorgung aus?

Richtigerweise unterliegt der Gassektor nicht den europäischen Sanktionen, da dies die Preise noch höher treiben könnte. Die Importabhängigkeit von Gas aus Russland wurde im Vergleich zu 2021 von 55 auf nunmehr ca. 26 Prozent reduziert. Daher hält die Bundesregierung es aktuell für möglich, den Erdgasimporteur zum Jahr 2024 auf 10 Prozent zu reduzieren.

Wie ist momentan die wirtschaftliche Situation der Stadtwerke angesichts der Gasversorgungskrise?

Damit die Stadtwerke die erhöhten Beschaffungskosten bewältigen können, sind auch Preisanpassungen nötig. Diese sollen - wie erwähnt - gemäß der gesetzlichen Neuregelung saldiert, also solidarisiert erfolgen. Nachgebessert wird nun noch in Bezug auf die Festpreisverträge. Diese hatten wir als Gesetzgeber zwar mit erfasst; hier gibt es gleichwohl zur rechtssicheren Ausgestaltung noch weiteren Regelungsbedarf. Gleiches gilt für die Fernwärme. Hier wird auch die Fernwärmeverordnung anzupassen sein.

Zur Zeit wird über einen eventuellen Weiterbetrieb der sich noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke über die Winterzeit 2023/2024 hinaus diskutiert. Wie soll es hier weitergehen?

Die Gründe für den Ausstieg aus der Atomenergie sind nach wie vor aktuell und werden es auch bleiben. Atomenergie ist eine Risikotechnologie, sie ist die teuerste Form der Stromgewinnung und sie hinterlässt Atommüll, für den es bis heute kein Endlager gibt. Aktuell wird ein weiterer Stresstest durchgeführt, um die Versorgungssituation auch unter noch verschärfteren Bedingungen einschätzen zu können. Der letzte Stresstest, der Mitte Juli vorgelegt wurde, hat auch bei der Annahme von ausbleibenden Gasflüssen aus Russland und Stromexporten nach Frankreich aufgrund dort vom Netz genommener Atomkraftwerke keine Stromlücke ergeben.

Wenn es aber doch zu einer Lücke kommt…

… dann muss genau geschaut werden, wie groß die Lücke ist. Und es muss abgewogen werden, welche Optionen unter allen Aspekten sinnvoll und hilfreich sind. Unabhängig vom weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien gibt es auch bei der Bioenergie kurzfristig zu steigernde Anteile. Und auch der Bereich des Einsparens ist nicht ausgeschöpft. Die Energiewende verlangt jedenfalls die Loslösung von Atomenergie und nicht deren Verlängerung.

- Das Interview wurde schriftlich geführt –

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