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SPD-Vize Manuela Schwesig: Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sieht in den Sondierungsergebnissen eine gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen. Doch will sie nichts schönreden, denn auch sie war lange skeptisch gegenüber einer erneuten großen Koalition.
von Vera Rosigkeit · 19. Januar 2018
Manuela Schwesig
Manuela Schwesig

Frau Schwesig, auf dem SPD-Parteitag im Dezember haben Sie gesagt, was für das Land gut ist, muss auch für die Partei gut sein. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Sondierungsergebnisse zwischen SPD und Union?

Viele Bürgerinnen und Bürger haben mir gegenüber deutlich gemacht, dass ich mich auf Bundesebene für die Bildung einer stabilen Regierung einsetzen solle. Das ist ein wichtiger Grund gewesen, sich an den Sondierungen zu beteiligen. Wir haben sehr hart verhandelt mit CDU und CSU. Das was nun auf dem Tisch liegt, ist eine gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen. Insbesondere bei den Themen Familie und Bildung haben wir wichtige Ergebnisse erzielt. Ich will aber auch nichts schönreden, denn ich gehöre zu denen, die sehr skeptisch waren.

Leidenschaftlich war auch Ihr Engagement in der Familienpolitik. Wo knüpfen die Sondierungsergebnisse an Ihre erfolgreiche Arbeit an?

Wir haben in den Verhandlungen darauf hingewirkt, eine Bildungskette zu bekommen – von der gebührenfreien Kita bis hin zur Hochschule und zur beruflichen Bildung. Das Kooperationsverbot soll abgeschafft werden, damit der Bund endlich den Ländern Geld zur Verfügung stellen kann für notwendige Bildungsinvestitionen. Es soll mehr Geld für Kitas, für Ganztagsschulen und digitale Bildung, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter und Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut geben. Das ist ein gutes Paket.

Als Bundesministerin haben Sie sich ebenso leidenschaftlich für mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Beruf eingesetzt. Nun werden Ausbildungsvergütungen in Sozial- und Pflegeberufen angestrebt und auch die Debatte um Führungspositionen geht weiter. Wie zufrieden sind mit den erzielten Ergebnissen in diesem Bereich?

Wir haben uns auch auf mehr Personal, mehr Qualität und eine bessere Bezahlung in der Pflege geeinigt. Letzteres wird dazu beitragen die Lohnlücke ein wenig zu schließen, da vor allem Frauen in den schlecht bezahlten Pflegeberufen arbeiten. Dazu zählt auch, dass wir dafür sorgen wollen, dass es bei Sozial- und Pflegeberufen Ausbildungsvergütungen gibt und das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit. Wichtig ist auch, dass wir uns auf ein Aktionsprogramm zur Prävention und Unterstützung für von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern verständigt haben. Hier muss mehr passieren. Wir wollen endlich die Frauenhäuser und andere Hilfsmaßnahmen auf eine solide Grundlage stellen.

An welchen Punkten haben Sie sich mehr erhofft?

Es gibt drei große Themen, bei denen es leider keine Verständigung gab: Bürgerversicherung, Reichensteuer und sachgrundlose Befristung. Ich hätte insbesondere die sachgrundlose Befristung gern abgeschafft. Aber wir müssen realistisch sein: In einer großen Koalition lassen sich nicht alle Vorhaben verwirklichen. Genau deshalb gibt es ja eine große Skepsis gegenüber einer erneuten Regierung aus Union und SPD.

Was sagen Sie den Skeptikern?

Ich bin ja selbst skeptisch und es gibt gute Gründe und Argumente auf beiden Seiten. Wir als Parteiführung haben mehr als acht Wochen lang gesagt, wir schließen die GroKo aus. Darauf haben viele Mitglieder vertraut. Deshalb braucht es jetzt viel Überzeugungskraft, die Mitglieder auf diesen neuen steinigen Weg mitzunehmen. Klar ist auch: Nach dem Scheitern von Jamaika gab es weder eine Mehrheit für Neuwahlen noch für eine Minderheitsregierung.

Was erwarten Sie von möglichen Koalitionsverhandlungen?

Man kann nicht ein Ergebnis erzielen und am nächsten Tag alles über den Haufen werfen. Wir müssen uns in aller Ruhe und ganz nüchtern überlegen, was wir wollen. Sollen die erzielten Ergebnisse die Basis für eine neue Regierung bilden? Wollen wir ganz pragmatisch Probleme lösen? Oder bevorzugen wir Neuwahlen? Vor Neuwahlen müsste die SPD erklären, warum sie die Verbesserungen, die jetzt bei der Rente, in der Pflege oder bei der Krankenversicherung möglich wären, nicht verwirklicht hat. Das zeigt: Für uns gibt es keinen goldenen Weg.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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