Inland

SPD-Vize Klara Geywitz: Wir hinken bei der Gleichstellung von Frauen weit hinterher

Die SPD will Fortschritte beim Schutz und der Gleichstellung von Frauen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Klara Geywitz wirft der Union vor, das Thema auszusitzen. Dennoch habe die Sozialdemokratie wichtige Verbesserungen durchgesetzt.
von Vera Rosigkeit · 12. Februar 2021
SPD-Vize Klar Geywitz: „In Deutschland sind auch immer noch viel zu viele Frauen von Gewalt, oft im häuslichen Umfeld, betroffen.“
SPD-Vize Klar Geywitz: „In Deutschland sind auch immer noch viel zu viele Frauen von Gewalt, oft im häuslichen Umfeld, betroffen.“

Auch dieses Jahr findet am 14. Februar der weltweite Aktionstag „One Billion Rising“ (eine Milliarde erhebt sich) statt. Gefordert wird mehr Gleichstellung und das Ende der Gewalt gegen Frauen. Wie steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern da?

Leider nicht so gut, wie es könnte. Die CDU gab sich in den letzten Jahren wirklich alle Mühe, Fortschritte für Frauen auszusitzen. Wir hinken in puncto Gleichstellung anderen Ländern weit hinterher. Deswegen war es wichtig, dass wir jetzt nach langem Streit auch im Bereich der Wirtschaft zu mehr Quoten in den Führungsgremien gekommen sind. Denn von alleine ändert sich nichts.

In Deutschland sind auch immer noch viel zu viele Frauen von Gewalt, oft im häuslichen Umfeld, betroffen. Sie brauchen staatlichen Schutz, Hilfsangebote und eine Perspektive für ein gewaltfreies Leben. Die SPD fordert einen Rechtsanspruch auf Beratung und Schutz für von Gewalt betroffenen Frauen. Unsere Justizministerin Christiane Lamprecht zeigt ja mit ihren Initiativen deutlich, dass man mit Gesetzesverschärfungen aktiv gegen frauenspezifische Gewalt vorgehen kann.

Wie hat Corona die Debatte verändert, welche Probleme sind sichtbarer geworden?

Corona ist ein Brennglas, was vorher an Ungleichheit da war, verstärkt sich jetzt. Unbezahlte Care-Arbeit, putzen, kochen, die Wäsche, das bleibt weiter meist an Frauen hängen, jetzt nur mit einem noch größeren Umfang. Das Gender Pay Gap, die schlechtere Bezahlung von Frauen, vergrößert sich. Frauen arbeiten seltener in tarifgebundenen Unternehmen, bleiben häufiger mit den Kindern zu Hause oder reduzieren ihre Arbeitszeit, um alles unter einen Hut zu bekommen.

In Polen wurde gerade ein äußerst umstrittenes Abtreibungsverbot in Kraft gesetzt. Ist es nicht ein Zeichen von Machtlosigkeit, dass im 21 Jahrhundert solche Rückschritte mitten in Europa stattfinden können?

Die polnischen Frauen zeigen starken Widerstand, sie organisieren sich landesweit gegen die Beschränkung ihrer Rechte. Das macht mir Hoffnung. Aber bis zu den nächsten Wahlen mit dann hoffentlich progressiveren Mehrheiten ist es in der Tat noch sehr lang. Aber blickt man nach Belarus, sind es dort auch wieder mutige Frauen, die versuchen, gesellschaftliche Bewegungen in Gang zu setzen und sich dabei auch in große Gefahr bringen. Frauen sind aktiv, sie kämpfen für sich, ihre Rechte und für einen gesellschaftlichen Wandel. Wichtig ist, dass wir als europäische Sozialdemokraten mit diesen Bewegungen solidarisch sind, wie das zum Beispiel unsere Europaabgeordneten Katarina Barley und Maria Noichl lautstark tun.

Wie kann Europa Frauen mehr Schutz bieten?

Die Istanbul-Konvention muss europaweit mit Leben erfüllt werden. Der Schutz vor häuslicher Gewalt und die Präventionsarbeit dürfen keine freiwillige Zusatzleistung der Staaten sein, sondern müssen überall verbindlich geregelt und mit klaren Schutzstandards versehen sein. Da gibt es überall viel zu tun, z.B. beim Kampf gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien. Hier hat Franziska Giffey gerade erst vor wenigen Tagen mit dem mehrsprachigen Schutzbrief ein starkes Zeichen gesetzt, dass wir solche Grausamkeiten nicht dulden werden und an der Seite der potentiell Betroffenen stehen.

Anfang Februar hat das Bundesverfassungsgericht eine Klage wegen fehlender Geschlechterparität im Bundestag zurückgewiesen. Wie wichtig ist die Präsenz von Frauen in politischen Entscheidungsprozessen?

Es gibt bisher zwei Urteile zu den Paritätsgesetzen in Thüringen und Brandenburg von den jeweiligen Landesverfassungsgerichten. Ein Urteil aus Karlsruhe steht noch aus. Wir sehen aber eine intensive Debatte innerhalb der Rechtswissenschaft über die Frage der Zulässigkeit von paritätischen Regelungen im deutschen Wahlrecht, wie es sie in vielen anderen Ländern gibt. Das ist an sich schon ein Fortschritt, war doch die Ablehnung vor wenigen Jahren noch einhellig. Die SPD wird weiter für ein verfassungskonformes Paritätsgesetz in Kommunen, Ländern und Bund eintreten.

Wie werden Sie am Sonntag aktiv sein?

In diesem Jahr wollte ich eigentlich direkt vor Ort am Brandenburger Tor dabei sein. Ich hoffe, dass das im nächsten Jahr wieder möglich ist. So werde ich wohl am Sonntag per Livestream zuschauen.

Autor*in
Avatar
Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare