Inland

SPD-Ministerin Barley will höheres Kindergeld für Geringverdiener

Bundesfamilienministerin Katarina Barley hat am Dienstag ihren Plan für ein neues Kindergeld vorgestellt. Das soll vor allem Kindern aus einkommensschwachen Familien zugute kommen und ihnen ein gutes Aufwachsen ermöglichen.
von Laura Tirier · 12. September 2017
VKinder im Mittelpunkt: Die SPD will mit dem Kinderbonus von 300 Euro Familien stärken und damit zugleich die Binnennachfrage.
VKinder im Mittelpunkt: Die SPD will mit dem Kinderbonus von 300 Euro Familien stärken und damit zugleich die Binnennachfrage.

„Deutschland ist zu wohlhabend, um sich Kinderarmut zu leisten“, sagte Bundesfamilienministerin Barley am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Dort stellte sie ihr Konzept für eine Neuregelung des Kindergeldes vor. Damit sollen besonders Familien an der Armutsgrenze unterstützt und der bürokratische Aufwand vermindert werden.

Zusammenlegung von Kindergeld und Kinderzuschlag

In Deutschland hat eine Familie ab dem ersten Kind Anspruch auf 192 Euro Kindergeld. Dieser Betrag liegt laut der Bundesfamilienministerin unter dem Grundbedarf eines Kindes. Für einkommensschwache Familien besteht die Möglichkeit, zusätzlich einen Kinderzuschlag von 170 Euro zu erhalten. Dieses Verfahren werde jedoch kaum in Anspruch genommen, sagte Barley. „Nur ein Drittel aller Anspruchsberechtigten nehmen den Kinderzuschlag tatsächlich in Anspruch.“ Dass liege zum einen daran, dass viele Familien gar nicht wüssten, dass es diesen Zuschlag gibt. Zum anderen sei der Prozess zum Erhalt des Zuschlages sehr bürokratisch und kompliziert.

Das Bundesfamilienministerium schlägt vor, Kindergeld und Kinderzuschlag zusammenzulegen. Dies führe dazu, dass nur noch ein Antrag gestellt werden müsse und bedürftigen Familien so der Zugang zu Hilfen erleichtert würde. Zudem soll der Kinderzuschlag um 31 Euro erhöht werden. So könne der Grundbedarf eines Kindes von 393 Euro gedeckt werden. Ab einem gewissen Einkommen der Eltern soll eine langsame Abschmelzung des Kinderzuschlages einsetzen, bis die Familie auf dem üblichen Kindergeldsatz von 192 Euro angekommen ist.

Barley zu den Kindergeldplänen der Union: „Maßnahmen mit der Gießkanne reichen nicht.“

CDU und CSU haben einen eigenen Plan zum Thema Kindergeld vorgelegt. Dieser sieht eine generelle Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro, sowie die Anhebung des Kinderfreibetrags bei der Steuer vor. Mit berechneten Kosten von sechs Milliarden Euro ist der Unionsplan deutlich teurer als die 2,2 Milliarden Euro umfassenden Maßnahmen der SPD.

Diese geplanten Regelungen der Union seien außerdem unzureichend, kritisierte Barley. „Diese Gießkannenleistungen sind nicht punktgenau und fördern nicht diejenigen, denen wir helfen müssen.“ Die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich würden so noch vergrößert. Menschen die Kindergeld bekämen, hätten weniger davon als Spitzenverdiener, die vom Steuerfreibetrag profitierten, auf dieses Geld jedoch nicht angewiesen wären. „Wir wollen, dass das Kindergeld denjenigen zugute kommt, die es auch wirklich brauchen und es nicht an diejenigen geben, die den Unterschied auf dem Kontoauszug nicht bemerken“, so Barley.

Entlastungen für Alleinerziehende

Tritt der Plan der SPD in Kraft, bekäme eine Paarfamilie mit zwei Kindern würde so lange 393 Euro pro Kind, bis die Eltern über 2000 Euro Brutto im Monat verdienen. Ab diesem Moment sinkt der Kinderzuschlag. Pro zehn Euro Mehrverdienst solle der Zuschlag um vier Euro abnehmen. Diese langsame Abschmelzung sorge laut Barley dafür, dass Familien trotzdem zu mehr Leistung und besserem Verdienst angehalten würden.

Für Alleinerziehende gelte der Höchstbetrag bis zu einem Einkommen von 1600 Euro Brutto. Zudem sollen bei ihnen die Geldbeträge für den Unterhalt des Kindes nicht mehr als separates Kindereinkommen, sondern als gemeinsames Familieneinkommen gewertet werden. So ist es heute schon bei Paarfamilien der Fall. Alleinerziehende, die mit 44 Prozent das größte Armutsrisiko tragen, sollen so entlastet und abgesichert werden.

Das Problem der verdeckten Armut

Rund eine Million Familien in Deutschland leben laut der Familienministerin in einer Situation, in der die Eltern Einkommen erwirtschafteten, das Geld aber trotzdem nicht für die Deckung der Grundbedürfnisse reiche. Zwar müssten die Familien kein Hartz IV beziehen, könnten aber nicht von steuerlichen Förderungen für Familien profitieren. Diese Familien lebten in verdeckter Armut, sagte Barley.

Holger Bonin ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kassel und Chefkoordinator für arbeitsmarktpolitische Forschung am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Er unterstrich am Dienstag zusammen mit der Familienministerin die Gefahren, die diese Form der Armut für Kinder bedeutet. „Die Kinder einkommensschwacher Familien sind nicht nur von finanzieller Not betroffen, sie sind auch zu weiten Teilen aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.“ Diese Not mache sich durch einen geringeren sprachlichen oder sozial-emotionalen Entwicklungsstand bemerkbar.

Jedes fünfte Kind lebe in Deutschland mittlerweile an der Armutsgrenze und das sei nicht zu tolerieren, sagte Barley. „Das Ziel dieses neuen Plans ist, dass alle Familien an der guten wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands teilhaben und wir so allen Kindern ein gutes Aufwachsen ermöglichen.“

Autor*in
Laura Tirier

war 2017 Praktikantin in der Redaktion des vorwärts. Sie studiert Geschichte und Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster.

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