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SPD-Konferenz: Wie Corona zu einer besseren Art des Wirtschaftens führen kann

Kann die Corona-Krise eine Chance für eine andere Art des Wirtschaftens sein? Darüber diskutierte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Dienstag mit Partei-Vize Kevin Kühnert und Expert*innen. Das könnte Folgen für den Bundestagswahlkampf haben.
von Vera Rosigkeit · 12. Mai 2020
Diskussion über neue Formen des Wirtschaftens: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Parteivize Kevin Kühnert bei der ersten Die-neue-Zeit-Konferenz
Diskussion über neue Formen des Wirtschaftens: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Parteivize Kevin Kühnert bei der ersten Die-neue-Zeit-Konferenz

Schneller, höher, weiter und immer mehr Profit: Soll es damit nach der Corona-Krise weitergehen? Und geht es bei den Milliardenhilfen nur um die Rettung von Unternehmen oder auch um eine Transformation der Wirtschaft?

Gemeinsam mit SPD-Vize Kevin Kühnert und externen Expert*innen diskutiert Lars Klingbeil am Dienstag auf der „In die neue Zeit“-Onlinekonferenz der SPD zum Thema „Zusammenhalt“. Es geht um alternative Formen des Wirtschaftens, jenseits vom „bedingungslosen Profitstreben“. Denn, so Klingbeil, höhere Gewinne und Renditen „haben für die meisten nicht zu mehr Wohlstand geführt, wohl aber zu einer gesellschaftlichen Spaltung“. Die SPD habe diese Bewegung in der Vergangenheit nicht verhindert, fügt er hinzu. „Nun muss sie eine Alternative formulieren.“ 

Wie diese Alternative inhaltlich aussehen könnte? Laut SPD-Generalsekretär müsse die SPD eine Form des Wirtschaftens fördern, die nicht das Kapitalinteresse in den Mittelpunkt rückt, sondern vielmehr das Wohl der Gemeinschaft, das Miteinander, aber auch einen starken Sozialstaat. Gerade in Krisenzeiten wie diesen, „sind wir froh, dass es ihn gibt“, so Klingbeil. Ebenso wie das gut funktionierende Gesundheitswesen.

Kühnert versus Spahn

Ein Stichwort für Kühnert, um CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn zu kritisieren. Laut dem Juso-Chef laufe Spahn derzeit durch die Welt und erzähle, Deutschland komme so gut durch die Pandemie, weil es so große Kapazitäten im Gesundheitswesen gebe.  „Das ist der gleiche Jens Spahn, der erzählt hat, das seien Überkapazitäten und müssten abgebaut werden“, erinnert Kühnert.

Dies zeige, dass „uns das auf die Spitze getriebene Effizienzdenken verletzlich macht“, so Klingbeil. Als Gegenmodell bringt der Generalsekretär den Genossenschaftsgedanken in die Diskussion und die Frage nach der Rolle des Staates. „Schafft er nur die Rahmenbedingungen oder wird er selbst aktiver?“, will Klingbeil wissen.

Förderung unter sozial-ökologischen Kriterien

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes Peter Neher betont die Leistung der freien Wohlfahrtspflege. Die sei alt, aber nicht überholt, sagt Neher. Immerhin seien zwei Millionen Beschäftigte und drei Millionen Ehrenamtliche aktiv, nicht nur in Suppenküchen und Kleiderkammern. „Da sind auch Unternehmen dabei, die gemeinnützig arbeiten.“

Sally Ollech vom Vorstand „Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) e.V.“ spricht für Sozialunternehmen und beklagt in der Förderlandschaft ein Silo-Denken in Deutschland: „Es ist ein Silo-Denken in schwarz weiß. Es wird geguckt, ist derjenige gemeinnützig, dann ist es sozial oder ist er gewerblich, dann ist es nicht sozial.“ Dabei  gebe es viele Sozialunternehmen, die beides verbinden. Die Suchmaschine „Ecosia“, Mitglied von SEND, wirtschaftet gemeinwohlorientiert, hat als Suchmaschine aber nicht den Gemeinnützigkeitsstatus. „Wir brauchen andere Rahmenbedingungen für Sozialunternehmen, auch um beispielsweise Wirtschaftsförderung an ökologische Kriterien zu knüpfen“, lautet Ollechs Forderung. „Das müssen wir hinbekommen.“

Corona-Pandemie als Brennglas

Die Corona-Pandemie sei ein Brennglas, das zeige, was im Land funktioniere und wo es Defizite gebe, sagt Laura Krause von „More in Common Deutschland“. Auch Ungerechtigkeit würde so noch einmal besonders deutlich – sei es in Sachen Wohnsituation, Bildungsprivilegien oder finanzieller Sicherheit. „Wenn Menschen das Gefühl haben, die Gesellschaft ist für mich nicht gebaut, sondern dient anderen, dann bereitet das den Weg für Populismus“, ist die Geschäftsführerin überzeugt. „Wir sollten schauen, was soll in zehn Jahren anders sein als vor Corona?“

Unternehmerisches Handeln mit sozialer Verantwortung gibt es schon lange. Doch wurden Sozialunternehmen in Deutschland gut unterstützt? Zarah Bruhn, „CEO & Gründerin von Social Bee“, fordert in der Corona-Krise mehr Unterstützung für gemeinnützig orientierte Unternehmen und nicht nur Einzelarbeitnehmerförderung. Ihrer Meinung nach braucht es eine grundsätzlich andere Investitionslogik.

Nach der Krise nicht in alte Muster verfallen

Dazu scheint ein anderes Verständnis von Unternehmertum notwendig. Gemeinsam mit 32 Unternehmer*innen wie Götz Rehn (Alnatura) oder Thomas Bruch (Globus Baumärkte) rief der mehrfache Unternehmensgründer Armin Steuernagel im vergangenen Jahr die Stiftung „Verantwortungseigentum“ ins Leben. Mit der Forderung nach einer neuen Rechtsform für Unternehmen in Verantwortungseigentum hat sie viel Aufsehen erregt.

Ist ein anderes Unternehmertum denkbar? Diese Diskussion sei ein Anfang, sagt Klingbeil am Dienstag, denn es sei eine Diskussion über Grundsätzliches wie Werte. Sozialunternehmen passen nicht in das Raster des Rettungsschirms, „stehen aber bei der SPD auf dem Zettel“, fügt er hinzu. Denn, so die Warnung, „wir sollten nach der Krise nicht in alte Muster verfallen“. Es könne in und nach der Krise nicht nur um die Rettung von Unternehmen gehen, ist er sicher. Laut Klingbeil werden diese neuen Gedanken Einfluss auf den Wahlkampf der SPD haben und in ihr Regierungsprogramm einfließen.

Am 27. Mai wird die nächste „In die neue Zeit“-Onlinekonferenz stattfinden. Dann diskutiert Lars Klingbeil mit Bundesarbeitsminister und SPD-Vize Hubertus Heil und einer neuen Expert*innenrunde über Arbeitswelten.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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