Deutsche Gleichstellungswirklichkeit anno 2007. Der Anlass: Die resolute Führter Landrätin Dr. Gabriele Pauli (CSU) hatte dem alternden Monarchen Edmund Stoiber die Frage gestellt, die
niemand vorher zu stellen wagte. Zuerst wurde sie nicht ernst genommen, dann polterte der Koloss vom Sockel und Pauli zog sich den wütenden Haß der Granden zu, die "Ede" gern allein beerben wollen.
Aber auch den Zorn der bierunseligen CSU-Basis, die sich nicht über Paulis Wahrheitsliebe freute, sondern über den "Königsmord" an ihrem längst heilig gesprochenen "Edi" maßlos erregt hatte.
Daraufhin entschieden die SPD-Frauen im Unterbezirk Frankfurt und im Unterbezirk Hessen, Frau Pauli den Olympe-de-Gouges-Preis zu verleihen. Sie erhielt ihn am Sonntagvormittag im Frankfurter
Presseclub, die frühere Leiterin des Deutschen Frauenrates, Inge von Bönninghausen, laudierte auf die mutige Politikerin, die Vorsitzende der ASF-Frauen Südhessen, Uli Nissen, ehrte "die Frau,
nicht die CSU-Frau" und Frau Pauli bedankte sich mit einer Rede, nach der Frauen Einfluss brauchen und nicht davor scheuen sollten. So weit, so gut.
Was machen die Herren Journalisten in zwei führenden bürgerlichen Zeitungen daraus? Erst einmal berichten beide, was Frau Pauli getragen hat (hätten sie das auch getan, wenn Herr Stoiber
endlich die verdiente silberne Zitrone bekommen hätte?) Übrigens hat sie bei der "SZ" einen weißen Hosenanzug angehabt und bei der "FAZ" trägt die schwarze Landrätin eine "rote Bluse" - eine
gelungene Anspielung auf ihre Nähe zu den SPD-Schwestern ("FAZ"). Beide Autoren verhehlen nicht, dass die CSU-Frau - horribile dictu - in die linkeste Ecke der SPD gegangen ist ("Linker geht es
kaum in diese Parrtei", "SZ"). Klar ist auch beiden, wofür sie sich das verdient hat: Sie ist "die politische Mörderin Stoibers" ("FAZ") oder etwas liberaler: "sie hat vielen in der SPD eine Freude
gemacht, indem sie den Sturz des MP Edmund Stoiber...einleitete" "SZ").
Vor allem aber sind beide einig, was solchen Frauen eigentlich zukommt oder wenigsten früher passiert wäre: "Hätte Frau Pauli wie Olympe de Gogues im 18. Jahrhundert gelebt, es wäre ihr wohl
ergangen wie der Namensgeberin des Preises: Sie wäre um einen Kopf kürzer gemacht worden." ("FAZ"). Intellektuell anspruchsvoller die liberalere Variante: Von Olympe de Gogues, heißt es da, sei
überliefert, sie sei "den Törichten entgegengetreten" und habe "die Niederträchtigen angegriffen." "Kurz darauf wurde sie guillotiniert", schließt Christoph Hickmann seinen Artikel mit diesen
warnenden (?) Worten. Das letzte Wort behält aber die Zeitung, hinter der immer ein kluger (Männer-)Kopf steckt: Frau Pauli, schließt "rieb" messerscharf, fehle der "Killerinstinkt". Sonst hätte
sie sich mit Andrea Ypsilanti ablichten lassen: "Was wäre das für ein schönes Foto gewesen: Frau Pauli, die Mörderin von Stoiber, neben Frau Ypsilanti, die im Frühjahr bei den Landtagswahlen den
CDU-MP Roland Koch köpfen möchte."
Also geht es nicht um zwei couragierte Frauen, die selbstverständliche demokratische Rechte wahrnehmen, sondern um Mörderinnen, Köpferinnen (!) verdienter Politiker. Man muss wohl kein
Psychologe sein, um hinter diesen Artikeln einen ganzen Berg an unverdauten Ängsten und Aggressionen zu wittern. Hübsches Feld für einen Therapeuten, für einen Zeitungsbeitrag im Jahre der
Gleichstellung der Frau Anno 2007 gänzlich ungenügend.
Quellen: Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung vom 19. März
war von 1994 bis 1998 Büroleiter und Persönlicher Referent des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rüdiger Fikentscher.