SPD-Fraktionsvize Bas: „Private Krankenversicherung stärker an Corona-Kosten beteiligen“
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Wer aus dem Urlaub im Ausland zurückkommt kann sich freiwillig, wer aus einem Risikogebiet zurückkommt muss sich auf eine Corona-Infektion testen lassen. Auf unser Gesundheitssystem kommen damit weitere Kosten zu. Wer kommt für die Finanzierung all dieser Kosten auf?
Für die Tests übernimmt der Bund die Kosten über den bereits erhöhten Zuschuss zur Krankenversicherung. Die Kosten werden also von der Allgemeinheit bzw. den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern getragen. Insgesamt trägt im Moment aber die gesetzliche Krankenversicherung einen Großteil der Kosten. Sie hat außerdem auch Einnahmeverluste, weil Menschen mit Kurzarbeitergeld weniger verdienen oder Beitragszahlungen stunden.
Sie fordern, dass die private Krankenversicherung stärker beteiligt wird. Warum?
Die private Krankenversicherung muss stärker an den Kosten beteiligt werden. Der Ausbau der Intensivkapazitäten, die Einrichtung von Schwerpunktambulanzen, die Schutzschirme für Ärztinnen und Ärzte und Heilmittelerbringer - all das sind Kosten, die auch die private Krankenversicherung stärker mittragen muss. Deutschland ist bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Dieser Erfolg war aber nicht zum Nulltarif zu bekommen. Die Kosten müssen fair finanziert sein.
Im Herbst, wenn die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt besser absehbar sind, müssen wir daher ein Gesamtfinanzierungskonzept aufstellen, das eine faire Finanzierung aller Corona-Kosten im Gesundheitsbereich beinhaltet. Das heißt vor allem, dass wir schauen müssen, ob der zusätzliche Steuerzuschuss ausreicht, um die zusätzlichen Kosten – nicht nur für die Tests – zu decken.
„Wir brauchen eine stärkere Beteiligung der privaten Krankenversicherung“
Am Ende dürfen es nicht die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen sein, die die Zeche bezahlen. Wir brauchen eine faire Verteilung der Kosten. Das heißt eine stärkere Beteiligung der privaten Krankenversicherung und ein ausreichend hoher Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung. Und bei den Tests für Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer kann man sicher auch prüfen, ob man zukünftig Reisende, die in ausgewiesene Risikogebiete fahren, z. B. über die Ticketpreise an den Testkosten beteiligen kann.
Wie sieht es denn beim Corona-Bonus für die Beschäftigten in der Altenpflege aus? Ist hier die private Krankenversicherung beteiligt?
Wir haben Altenpflegeeinrichtungen verpflichtet, eine Prämie von 1.000 Euro zu zahlen. Auch hier sind die privaten Krankenversicherungen nicht an den Kosten beteiligt, die Prämie wird zunächst aus den Mitteln der gesetzlichen Pflegeversicherung gezahlt. Dafür gibt es allerdings erstmals einen Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung.
Weil in der Pflege nur ein Teil der Kosten durch die gesetzliche Pflegeversicherung abgedeckt wird, hätten die höheren Personalkosten durch die Prämie zu höheren Eigenanteilen der Pflegebedürftigen geführt. Um das zu verhindern, haben wir dies so geregelt.
Die Prämien können durch die Länder und Arbeitgeber steuer- und abgabenfrei auf 1.500 Euro aufgestockt werden. Sie sind ein wichtiges Zeichen der Anerkennung für die außergewöhnlichen Leistungen, die die Beschäftigten in der Altenpflege in den Zeiten der Pandemie für die Bewohnerinnen und Bewohner erbringen. Sie kümmern sich um besonders verletzliche Personen und fangen dabei auch die psychischen Belastungen der Pflegebedürftigen durch die Besuchseinschränkungen auf.
Auch viele Krankenhäuser erkennen die Leistungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Corona-Pandemie an und zahlen bereits eine Prämie. Aber nicht alle. Ich sehe auch diese Kliniken in der Pflicht, eine einmalige Prämie an ihre Beschäftigten auszuzahlen.
„Einen starken Anstieg der Beiträge wird es nicht geben“
Viele Menschen machen sich Sorgen um steigende Beitragssätze in der Pflege- und Krankenversicherung. Die SPD-Bundestagsfraktion plant den Bundeszuschuss in diesem Jahr zu erhöhen. Ist das bereits beschlossen und wird es reichen, die Gesundheitskosten möglichst gerecht zu verteilen?
Wir haben die „Sozialgarantie“ beschlossen: Die Sozialversicherungsbeiträge insgesamt – also die Beiträge für Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegesicherung zusammen – steigen maximal auf 40 Prozent. Darüber hinaus gehende Kosten werden durch Steuern finanziert. Einen starken Anstieg der Beiträge wird es also nicht geben.
Um dieses zu garantieren, sind höhere Steuerzuschüsse nötig. Der Steuerzuschuss für Gesundheit und Pflege wurde als Teil des Konjunkturpakets vor der parlamentarischen Sommerpause bereits um 5,3 Milliarden Euro erhöht. 3,5 Milliarden Euro fließen zusätzlich an die gesetzliche Krankenversicherung. Außerdem gibt es zum ersten Mal einen Zuschuss zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Dieser Zuschuss zur gesetzlichen Pflegeversicherung ist eine Forderung der SPD. Auch nach der Krise muss es den Zuschuss weiterhin geben. Für uns ist er Teil einer zukunftsfähigen Finanzierung der Pflege. Ob der zusätzliche Zuschuss von 5,3 Milliarden Euro ausreichen oder eine weitere Erhöhung des Zuschusses in diesem Jahr nötig sein wird, lässt sich im Moment noch nicht sicher sagen.
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein leistungsfähiges Gesundheitssystem für alle ist. Sie war ein Belastungstest. Welche Bilanz ziehen Sie?
Insgesamt ziehe ich – bisher – eine positive Bilanz. Eine Überlastung unseres Gesundheitssystems konnten wir verhindern. Wir haben es geschafft, schnell zusätzliche Intensivkapazitäten zu schaffen. Die Testkapazitäten haben wir stark erhöht. Auch die Haus- und Fachärzte leisten einen wichtigen Beitrag. Dies ist im Vergleich zu anderen Ländern eine große Stärke in Deutschland. Durch die gespannten Schutzschirme im Gesundheitswesen konnten wir die Versorgung sichern.
Es gibt aber durchaus schon jetzt Lehren, die wir aus der Krise ziehen können und müssen. In Zukunft müssen wir ausreichend Schutzausrüstung vorrätig haben. Dabei dürfen wir uns nicht nur von Zulieferern aus dem Ausland abhängig machen. Die aufgebaute Produktion in Deutschland muss gesichert werden. Ein Notstand an Schutzmaterial und die damit verbundene Preisexplosion – das darf uns so nie wieder passieren. Der Markt regelt eben nicht alles.
Als weitere Lehre aus der Pandemie werden wir den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) deutlich stärken. Er spielt eine entscheidende Rolle beim Nachvollziehen von Infektionsketten und der Bekämpfung der Ausbreitung von Pandemien.
„Systemwechsel: Wir fordern eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung“
Ein weiterer Punkt stand schon vor Corona zur Diskussion und wird auch die Diskussion der kommenden Monate mitbestimmen. Wir haben Intensivbetten und Beatmungsgeräte finanziert. Entscheidend sind aber die Beschäftigten. Es ist daher gut, dass viele Arbeitgeber den Einsatz ihrer Beschäftigten in der Corona-Krise würdigen und ihnen einen Corona-Bonus auszahlen. Dabei darf es aber nicht bleiben. Gerade in diesen systemrelevanten Bereichen brauchen wir mehr und höhere Tariflöhne und bessere Arbeitsbedingungen. Die Tarifflucht der Arbeitgeber gerade in der Altenpflege muss durch Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen gestoppt werden.
Und: Wir müssen weiter über die Finanzierung des Gesundheitssystems sprechen: Es braucht einen Systemwechsel. Wir fordern eine solidarisch finanzierte Bürgerversicherung: eine Kranken- und Pflegeversicherung, in die alle einzahlen und durch die alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen. Studien zeigen die Ungerechtigkeit des Nebeneinanders von gesetzlicher und privater Krankenversicherung: Die private Krankenversicherung kommt allen gesetzlich Versicherten teuer zu stehen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.