Inland

SPD: „Evakuierungsmaßnahmen so lange wie möglich aufrecht erhalten“

Mehr als 900 Menschen hat die Bundeswehr bisher aus Afghanistan evakuiert. „Wir müssen jetzt alles unternehmen, um so viele Menschen wie möglich herauszubekommen“, sagt SPD-Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller. Das neue Mandat reiche dafür aus.
von Kai Doering · 19. August 2021
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Wegen der Situation in Afghanistan ist der Verteidigungsausschuss am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Worum ging es dabei?

In der Sondersitzung ging es vor allem um drei Bereiche: zum einen um die Frage, wie die Situation zurzeit vor Ort ist und wie die Evakuierung von Botschaftsangehörigen, deutschen Staatsbürgern und Ortskräften läuft. Zum anderen war die Zukunftsprognose für Afghanistan ein Thema und die Frage, welche Handlungsspielräume wir als westliche Allianz noch haben. Und zum dritten haben wir uns damit beschäftigt, wie es zu der dramatischen Fehleinschätzung zum Vorrücken der Taliban kommen konnte, die dazu geführt hat, dass sich die Ereignisse am Wochenende überschlagen haben.

Auf Drängen der SPD waren zum letzten Punkt auch Vertreter*innen der Nachrichtendienste zur Sitzung geladen. Haben sie für Aufklärung sorgen können?

Aus der geheimen Sitzung kann ich nichts zu den Inhalten sagen, über die wir gesprochen haben. Die Teilnahme der Nachrichtendienste an der Sitzung war aber auf jeden Fall notwendig. Es bleiben weiterhin viele offene Fragen. Unbefriedigend ist für mich, dass nach wie vor nicht geklärt ist, wie es zu dieser Fehleinschätzung zum Vorrücken der Taliban gekommen ist. Da muss noch einiges aufgearbeitet werden.

Wie laufen die Evakuierungen nach dem ruckeligen Start der Luftbrücke?

Die Luftbrücke ist inzwischen stabilisiert und scheint weitgehend zu funktionieren. Wir wissen allerdings nicht, wie lange sie hält. Deswegen müssen wir jetzt alles unternehmen, um so viele Menschen wie möglich herauszubekommen. Es ist eine wirklich gefährliche Situation, in der die Bundeswehr sich hervorragend bewährt. Unser Dank geht deshalb an die Soldatinnen und Soldaten, die an der Evakuierungsoperation eingesetzt sind.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch der Bundeswehr bis Ende September ein robustes Mandat über 600 Soldat*innen erteilt. Der Bundestag will in der kommenden Woche darüber entscheiden. Reicht das Mandat aus Ihrer Sicht aus?

Klar ist: Die Evakuierung muss von bewaffneten Kräften begleitet und geschützt werden. Nach meiner Einschätzung reicht das beschlossene Mandat vom Umfang her dafür aus. Am 31. August läuft das Abkommen zwischen den USA und den Taliban aus. Dann enden eventuell auch die Evakuierungsmaßnahmen der USA. Wir möchten die Evakuierungsmaßnahmen so lange wie möglich aufrecht erhalten. Die vor Ort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten haben auch einen gewissen operativen Spielraum, sodass sie in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden können, wie sie die notwendigen Operationen durchführen. Und räumlich ist das Mandat auf ganz Afghanistan ausgeweitet, weil wir immer noch hoffen, dass es Evakuierungsmaßnahmen noch aus anderen Orten geben kann.

Ursprünglich sollten am 31. August Bundeswehr-Soldat*innen, die in Afghanistan im Einsatz waren, vor dem Reichstagsgebäude mit einem großen Zapfenstreich geehrt werden. Wegen der aktuellen Ereignisse ist das verschoben worden. Welches Signal sollte von dieser Ehrung ausgehen?

Das Ende dieses 20-jährigen Einsatzes muss einen würdigen Abschlussfür die Soldatinnen und Soldaten finden. Nicht zuletzt, weil 35 Soldaten im Gefecht gefallen sind und es insgesamt 59 Todesopfer zu beklagen gibt. Bei der Ehrung sollte klar werden, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist und die Soldatinnen und Soldaten aus der Mitte der Gesellschaft kommen und die Ehrung daher auch ins Herz des politischen Berlins, eben den Reichstag, gehört.

Welche Lehren lassen sich aus den Ereignissen in Afghanistan für künftige Bundeswehr-Mandate ziehen?

Wir sollten uns schon bei der Planung von Bundeswehreinsätzen überlegen, wie wir im Anschluss mit Ortskräften umgehen und ihnen möglichst den besten Schutz gewähren. Wenn wir das bereits in den Mandatstext aufnehmen, bleiben uns Situationen wie jetzt, in der uns das Bundesinnenministerium Steine in den Weg legt, künftig hoffentlich erspart.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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