Inland

SPD-Chefin Andrea Nahles verlangt Koalitionsgipfel wegen Asylstreit

Die SPD fordert im Streit der Union um die Asylpolitik die Einberufung des Koalitionsausschusses. SPD-Chefin Andrea Nahles schlägt vor, die bisher kaum praktizierte Beschleunigung von Asylverfahren verstärkt anzuwenden. Und sie stellt klar: Ohne die Zustimmung der SPD laufe in der großen Koalition gar nichts.
von Lars Haferkamp · 18. Juni 2018
Klares Zeichen für europäische Lösungen in der Asylpolitik: Die SPD lässt am Willy-Brandt-Haus in Berlin die Europafahne wehen statt der roten Parteifahne.
Klares Zeichen für europäische Lösungen in der Asylpolitik: Die SPD lässt am Willy-Brandt-Haus in Berlin die Europafahne wehen statt der roten Parteifahne.

Angesichts des weiter ungelösten Streits zwischen CDU und CSU um die Asylpolitik ruft die SPD den Koalitionsausschuss der großen Koalition an. „Es gibt keinen Automatismus, wenn Herr Seehofer mit Frau Merkel einig ist, dass wir das dann unterstützen“, stellte SPD-Chefin Andrea Nahles am Montag im Willy-Brandt-Haus klar. „Wir haben unsere eigenen Vorschläge und Ideen. Und deswegen rufen wir den Koalitionsausschuss an, noch vor dem Europäischen Rat am 28./29. Juni.“

Hängepartie in der Union

Nahles kritisierte, der Streit zwischen CDU und CSU sei vertagt, aber nicht gelöst worden. „Wir erleben eine Hängepartie.“ Lösungen in der Sache „dürfen nicht erzwungen werden und sie dürfen auch nicht taktisch motiviert sein“. Andrea Nahles appellierte nachdrücklich an die Union zur Sacharbeit zurückzufinden und „dass dieser Streit nicht in die Verlängerung geht“.

Die SPD-Vorsitzende machte einen konkreten Vorschlag zur Lösung des Streits. „Es geht in der Sache nicht darum, ob man abgelehnte Asylbewerber oder Asylbewerber, die in anderen Ländern registriert sind, zurückweist, sondern es geht um das Wie.“ Die SPD habe „einen eigenen Plan, wie man mit diesen Asylverfahren umgeht, entwickelt“. Dieser werde Montag Abend auf einer Präsidiumssitzung der SPD diskutiert.

Beschleunigte Verfahren für Dublin-Fälle

Nahles konkretisierte den Plan vor der Presse: „Im Kern beziehen wir uns bei unserem Vorschlag darauf, dass es bereits ein existierendes, 2016 verabredetes, beschleunigtes Asylverfahren gibt.“ Das sei derzeit allerdings nicht für Dublin-Fälle vorgesehen, also für Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind. „Wir würden gerne dieses beschleunigte Asylverfahren, das bereits im Asylgesetz vorgesehen ist, erweitern um diese Dublin-Fälle“, so die SPD-Chefin.

„Der Vorteil wäre, dass man innerhalb einer Woche diese Sache abwickeln kann“, und gegebenenfalls eine Überweisung in die Länder, in den denen die Asylbewerber registriert seien, herbeiführen könne. Dieses Verfahren sei bisher kaum durchgeführt worden, weil die Anzahl der Asylfälle inzwischen dramatisch gesunken sei. „Wenn jetzt also der Wunsch besteht, dass man hier eine Lösung sachlicher Art findet, für die Fälle, die hier in Rede stehen, dann können wir an dieses beschleunigte Verfahren anknüpfen“, so der Vorschlag von Andrea Nahles. „Das wäre eine Lösung, die den Vorteil hätte, dass sie nicht nur schnell wäre, sondern sie wäre auch rechtssicher und sie wäre vor allem auch europarechtskonform.“  Der Vorschlag der SPD sei human, sehr pragmatisch und europäisch.

Freizügigkeit wahren, keine verschärften Grenzkontrollen

Die SPD begrüße zwar die Bemühungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel um bilaterale Lösungen mit einzelnen EU-Staaten. „Das würde manches einfacher machen.“ Der SPD-Vorschlag von beschleunigten Verfahren würde solche bilateralen Abkommen allerdings nicht nötig machen. Weitere Vorteile wären, dass die Freizügigkeit gewahrt würde und keine verschärften Grenzkontrollen folgen würden.

Die SPD-Vorsitzende stellte klar, abgelehnte Asylbewerber oder Menschen, die kein Asyl beantragen, würden „auch jetzt schon an den Grenzen zurückgewiesen. Pro Jahr sind das ca. 12.000“. Es sei unklar, was Bundesinnenminister Horst Seehofer mit seiner entsprechenden Forderung nach ebensolchen Zurückweisungen überhaupt meine.

Union hat Deutschlands Ansehen in Europa geschadet

„Wir wollen in der Koalition beraten und gemeinsam entscheiden und Beschlüsse fassen, die sachlich begründet sind, die verhältnismäßig und zweckdienlich sind“, betonte die SPD-Chefin. „Ich kann nur an alle appellieren, dass sie das möglichst frei von Vorfestlegungen und ideologischen Implikationen machen. Wir sind dazu bereit.“ Inwieweit CDU und CSU dazu bereit seien, würden die nächsten Tage zeigen.

Bereits jetzt sei erkennbar, so die SPD-Vorsitzende, welchen Schaden das Agieren der Union angerichtet habe: „Es hat der Politik in Deutschland geschadet. Und es hat dem Ansehen Deutschlands in Europa geschadet.“

Europafahne über dem Willy-Brandt-Haus

Als Zeichen gegen nationale Alleingänge und für eine europäische Lösung in der Asylpolitik hat die SPD auf dem Willy-Brandt-Haus in Berlin die Europa-Fahne gehisst. Hier hängt sonst die rote Fahne mit dem SPD-Logo. „Es sind entscheidende Tage für Europa“, erklärte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Montag die Aktion. Das könne man nicht oft genug sagen. „Die SPD steht für ein starkes und geeintes Europa“, betonte er. Im Inforadio des rbb sagte Klingbeil, der Asylstreit zwischen CDU und CSU mache ihn „fassungslos“. In der Rheinischen Post warnte er: „Die CSU setzt mit ihrem Populismus gerade das geeinte demokratische Europa aufs Spiel.“

Aziz Bozkurt, der Bundevorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, kritisierte das Ultimatum der CSU an Bundeskanzlerin Merkel als Schauspiel. „Eine Regionalpartei setzt Fristen und Ultimaten, und die vermeintlich starke Bundesvorsitzende der CDU geht völlig in die Knie.“ Und das nur, um zwei Wochen Zeit zu gewinnen und den Konflikt zu vertagen. „Das ist einer Kanzlerin unwürdig“, so Bozkurt. „Falls die Unionsparteien dann wieder in der Realität und aus ihrem Seifenoper-Modus kommen, dann sollte ihnen schnell klar werden, dass es noch einen sozialdemokratischen Koalitionspartner gibt.“ Bozkurt sieht kaum, was von den Vorschlägen von Bundesinnenminister Seehofer mit der SPD umsetzbar ist. „Der Koalitionsvertrag hat die Schmerzgrenze der SPD deutlich überschritten, da wird es keine weiteren Verschärfungen am Asylrecht geben“, so der Chef der AG Migration. „Wir fordern die Union auf, den Bayernwahlkampf wieder aus der Bundespolitik rauszuhalten und den Innenminister in die Schranken zu weisen.“

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