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SPD-Chef Schulz zu Sondierung: „Wir haben hervorragende Ergebnisse erzielt“

Es ist vollbracht: SPD und Union einigen sich bei den Sondierungen. Der SPD-Vorstand beschließt mit großer Mehrheit die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. SPD-Chef Martin Schulz zeigt sich sehr zufrieden.
von Lars Haferkamp · 12. Januar 2018
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Nach mehr als 24 Stunden Sondierungsverhandlungen in Berlin ist der Durchbruch geschafft: SPD, CDU und CSU haben sich geeinigt. Die detaillierten Ergebnisse der Sondierung sind in einem 28-seitigen Papier festgeschrieben. Nach einer intensiven Debatte über das Sondierungspapier votiert der SPD-Vorstand bei nur sechs Gegenstimmen für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.

Schulz: sehr intensives Ringen

Als die drei Parteivorsitzenden im Willy-Brandt-Haus am Freitagmorgen vor die Presse treten, ist ihnen die Erleichterung nach dem erfolgreichen Verhandlungsmarathon anzumerken. Man habe „sehr intensiv miteinander gerungen“, sagt SPD-Chef Martin Schulz. Es habe durchaus „turbulente Momente“ gegeben. Die Verhandlungen hätten aber nicht auf der Kippe gestanden. Schulz hebt den „konstruktiven und sehr fairen Geist“ der Gespräche hervor. Es seien „am Ende immer Kompromisse, die man eingehen muss“.

Der SPD-Vorsitzende betont besonders das Europa-Kapitel im Sondierungspapier, das von den drei Parteivorsitzenden persönlich verhandelt wurde. Das Ergebnis sei ein „Aufbruch für Europa“, so Schulz. Es sei die deutsche Antwort auf die Reformvorschläge aus Paris und Brüssel.

Respekt und Zusammenhalt stärken

In Deutschland gehe es nun darum, dafür zu sorgen, „dass wir unser Land zusammenhalten“. Schulz betont dabei das „Prinzip der Solidarität, das Prinzip der Solidargemeinschaft“, man wolle „Respekt, Chancen und Zusammenhalt stärken“. Der Geist der Sondierung sei davon geprägt, den Zusammenhalt im Land durch Erneuerung zu stärken, um so Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Als beispielhaft nennt er die vereinbarte Erneuerung in den Bereichen Familie, Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung.

„Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben“, so Schulz. Dies sei „keine Rhetorik“– „wir meinen das ernst“. Deshalb habe das 13-köpfige SPD-Sondierungsteam auch einstimmig für Koalitionsverhandlungen votiert. Nun werde er als Parteivorsitzender dafür „gemeinsame Überzeugungsarbeit“ leisten mit Präsidium, Parteivorstand, Bundestagsfraktion, und den Landesvorsitzenden.

Applaus in der Fraktion

Innerhalb der SPD-Fraktion im Bundestag gebe es für die Ergebnisse „große Unterstützung“, berichtet Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles. Es habe bei der Sitzung der Fraktion am Freitagnachmittag Applaus dafür gegeben. „Ich freue mich ganz persönlich“, sagt sie, „weil wir viel für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes herausgeholt haben.“

Nahles hebt die Absicherung der Rente auf dem heutigen Niveau hervor, mit der „neues Vertrauen in die Rentenversicherung“ entstehe. Ein weiterer Erfolg: „Wir haben uns endlich auf eine Grundrente für langjährig Versicherte geeinigt.“ Sie sei ein zusätzliches Element, um die Armut im Alter zu vermeiden. Nahles betont ebenso die Maßnahmen gegen Kinderarmut sowie für mehr bezahlbaren Wohnraum. Mit den Beschlüssen zur Europapolitik sei eine „Trendwende“ gelungen.

SPD setzt wichtige Ziele durch

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel nennt das Sondierungspapier der drei Parteien im Willy-Brandt-Haus ein „Papier des Gebens und des Nehmens“. Man habe intensiv, ernsthaft und sehr tiefgehend verhandelt. CSU-Chef Horst Seehofer betonte, die drei „Parteien haben gezeigt, dass Politik Sondierung kann, in einer sehr kurzen Zeit und ohne öffentliche Selbstbeschäftigung“. Die Einigung sei die richtige Antwort auf die historisch schlechten Wahlergebnisse von CDU, CSU und SPD und zeige: „Wir haben verstanden.“

Die SPD kann in dem Sondierungspapier in zahlreichen Bereichen wichtige Ziele aus ihrem Wahlprogramm durchsetzen: So soll im Rahmen einer nationalen Bildungsallianz das Kooperationsverbot von Bund und Ländern aufgehoben und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter eingeführt werden. Das BAföG soll deutlich erhöht werden. Das Papier sieht weiter vor, Familien zu entlasten und den Kinderzuschlag zu erhöhen.

Soziale Sicherungssysteme werden erneuert

Ebenso setzt sich die SPD bei der Erneuerung der sozialen Sicherungssysteme durch: So soll es eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer geben. Das gesetzliche Rentenniveau soll bis 2025 bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben und eine Grundrente eingeführt werden. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sollen um 0,3 Prozent sinken. Das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit wurde ebenfalls beschlossen.

Die Parteien haben sich auf ein modernes Einwanderungsgesetz geeinigt. In der Flüchtlingspolitik sieht das Sondierungspapier vor, den Familiennachzug für vorübergehend Schutzbedürftige zunächst bis zu einer Neuregelung weiterhin auszusetzen, dann aber einen Nachzug für 1.000 Härtefälle pro Monat zu ermöglichen. Die Zahl der Flüchtlinge pro Jahr soll einen Korridor von 180.000 bis 220.000 nicht überschreiten.

Nun entscheidet der SPD-Parteitag

Der Solidaritätszuschlag soll bis 2021 um zehn Milliarden Euro gesenkt werden. Steuererhöhungen soll es dagegen nicht geben, der Spitzensteuersatz soll unverändert bleiben. In diesem Punkt konnte sich die SPD nicht durchsetzen.

Ob die nun vorliegenden Sondierungsergebnisse eine ausreichende Grundlage für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen bilden, darüber entscheidet am 21. Januar der SPD-Parteitag in Bonn. Sollte er dafür grünes Licht geben und es zum erfolgreichen Abschluss von Koalitionsverhandlungen kommen, entscheidet final ein SPD-Mitgliedervotum über die mögliche Bildung einer Koalition.

 

 

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