SPD begrüßt Rehabilitierung von Verurteilten nach Paragraf 175
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Erleichtert haben Vertreter der SPD auf die am Mittwoch getroffene Entscheidung reagiert, Betroffene des Paragrafen 175 zu rehabilitieren. Das Gesetz stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. Es trat 1872 in Kraft und wurde erst 1994 ersatzlos aufgehoben – bis dahin waren bis zu 140.000 Männer auf Grundlage des Paragrafen 175 verurteilt worden.
Abschaffung von Paragraf 175 als „erster Schritt“
„Endlich!“, kommentierte Petra Nowacki, Bundesvorsitzende von SPDqueer den Beschluss des Bundeskabinetts, den von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgelegten Gesetzentwurf umzusetzen. „Menschen, die nach diesem Unrechtsparagrafen verurteilt wurden, wurde nicht nur im juristischen Sinne großes Unrecht angetan. Ihre Würde wurde verletzt, da sie stigmatisiert, gesellschaftlich und beruflich ausgegrenzt und ihnen die Chancen genommen wurden, ihre individuellen Lebensentwürfe zu realisieren“, erklärte Nowacki und bedankte sich bei Maas für dessen Engagement.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl und der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Johannes Fechner erinnerten an das Unrecht des Paragrafen 175. „Die Besonderheit der Verurteilungen nach Paragraf 175 StGB besteht darin, dass das strafrechtlich sanktionierte Verhalten ausschließlich an die sexuelle Orientierung der Betroffenen anknüpfte.“ Beide betonten, dass die Rehabilitation der Betroffenen nur ein erster Schritt sei. „Der nächste große Schritt auf dem Weg ist für die SPD-Bundestagsfraktion die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.“
Oppermann fordert: Ehe für alle öffnen
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann erinnerte daran, dass es allein mit der Rehabilitierung von nach Paragraf 175 verurteilten Männern nicht getan sei. „Auch wenn wir schon viel erreicht haben – noch immer werden Homosexuelle alltäglich diskriminiert. Dagegen werden wir weiter kämpfen. Nun sollten wir auch die Ehe für alle öffnen.“
Johannes Kahrs reagierte regelrecht euphorisch auf die Entscheidung. „Ich bin stolz wie Bolle auf Heiko Maas“, erklärte Kahrs im Gespräch mit vorwärts.de. Er kenne viele Betroffene, deren Karriere oder Existenz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung zerstört wurden oder die deshalb im Gefängnis gesessen haben, so Kahrs weiter. Das lange Ringen um die Rehabilitierung von Betroffenen des Paragrafen 175 bezeichnete er als „elendige Geschichte, in der sich viele nicht mit Ruhm bekleckert haben.“ Umso besser, dass dies jetzt gelungen sei, so der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen weiter.
Kahrs: „Ehe für alle“ notfalls ohne Union
Wie seine Fraktionskollegen Högl und Fechner kündigte Kahrs an, die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen zu wollen. „Das ist ein meine Augen eines der wichtigsten Themen überhaupt“, so Kahrs. Sollte sich die Union der „Ehe für alle“ weiter verweigern, werde die SPD andere Möglichkeiten prüfen. „ Im schlimmsten Fall werden wir das Thema mit in den Bundestagswahlkampf nehmen und in einer Koalition ohne die Union in den ersten 100 Tagen nach der Wahl umsetzen“, so Kahrs entschlossen.
Neben dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz begrüßte auch der Lesben- und Schwulenverband die Entscheidung. Mit dem Gesetzesentwurf würden nach langen Jahrzehnten der Ignoranz endlich rechtspolitische Konsequenzen aus den schweren und massenhaften Menschenrechtsverletzungen gezogen, die auch vom demokratischen Staat an homosexuellen Menschen begangen wurden.
Gesetzentwurf wird zum Meilenstein
Lob gab es auch von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Deren Leiterin Christine Lüders sagte: „Die Opfer dieses Unrechtsparagrafen haben lange darauf warten müssen. Damit gibt es endlich Gerechtigkeit für die Betroffenen.“ Jörg Litwinschuh von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bedankte sich für das Engagement von Maas und Lüders. „Dieser Gesetzentwurf ist ein bedeutender Meilenstein auf dem langen Weg zur Rehabilitierung der Opfer des Paragrafen 175 StGB.“
Maas selbst bezeichnete die Rehabilitierung von Menschen, die nach Paragraf 175 verurteilt wurden, als „überfällig“. Die Urteile seien „eklatantes Unrecht“ und verstoßen gegen die Menschenwürde, so Maas weiter.