SPD auf Kurs
Die Fahrtzeit vom brandenburgischen Groß Behnitz ins Berliner Willy-Brandt-Haus beträgt mit dem Auto eine Stunde. Und doch sind es mehr als die 55 Kilometer Luftlinie, die die Parteizentrale der SPD und den 563 Einwohner kleinen Ortsteil Nauens normalerweise trennen. Gestern und heute aber ist die große Hauptstadtpolitik dem Kleinen ganz nah: Die Sozialdemokratie hat für zwei Tage Einzug im Nauener Landgut Borsig gehalten.
Parteispitze, Minister und Ministerpräsidenten sind hier zu einer zweitägigen Klausurtagung zusammengekommen, um fern der Hauptstadt die Weichen ihrer politischen Arbeit neu auszurichten. Es geht um den sozialdemokratischen Markenkern, um Haltung und Positionierung – in Fragen der Familienpolitik ebenso wie in denen der Außen- und Sicherheitspolitik. Mit Gästen wie dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Sonntag (zum vorwärts-Interview) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Montag debattierten die Sozialdemokraten über die Waffenlieferungen in die Ukraine bis zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union.
In Europa investieren
„Wir sind sehr froh darüber, dass mit der neuen Europäischen Kommission die Weichen in Europa anders gestellt worden sind und mehr für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit getan wird “, erklärte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel auf der heutigen Pressekonferenz mit Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. In Nauen machten die drei Spitzenpolitiker deutlich, wie wichtig die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa sei.
Angesicht von 26 Millionen Arbeitslosen in Europa müssten hier Lösungen gefunden werden, erklärte Gabriel und warb für Junckers Investitionspaket, dass mit einem Umfang von 315 Milliarden Euro den europäischen Investitionsstau auflösen will. EU-Parlamentspräsident Schulz bekräftigte: „Diese Kommission ist bereit über Parteigrenzen hinweg Konsens zu suchen, um Europa nach vorne zu bringen.“
Keine Zugeständnisse an Athen
Die Investitionsvorhaben des neuen griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras sieht die SPD hingegen skeptisch: „Mein Rat ist, dass wir uns aufeinander zu bewegen und ich hatte nicht den Eindruck, dass das gestern der Fall war“, kommentierte Gabriel die Regierungserklärung Tsipras', in der dieser die europäischen Rettungsmaßnahmen am Sonntag für beendet erklärt hatte.
Die arbeitende Mitte stärken
Nicht nur mit der internationalen, sondern auch mit der deutschen Wirtschaft beschäftigte sich die SPD in ihrer Klausur. Bundeswirtschaftsminister Gabriel lobte die gute wirtschaftliche Entwicklung Deutschland, forderte aber zugleich, dass von dieser „mehr Leute partizipieren müssen.“ Durch eine gute Familienpolitik mit dem Ziel des „fairen Wohlstands“ wolle die SPD künftig noch stärker die „arbeitende Mitte unterstützen“, so Gabriel. Der Niedriglohnsektor sei zu groß und die Menschen litten unter der Mehrfachbelastung Kinderziehung, die Sorge um ein ausreichendes Einkommen und häufig noch die Pflege der Eltern unter einen Hut zu bringen.
Konkrete Beschlüsse fasste der SPD-Parteivorstand hierzu aber noch nicht. Dies soll Ende des Jahres auf dem Bundesparteitag im Dezember geschehen.