SPD appelliert an Union: Kriminelle Firmen nicht länger schützen
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Eigentlich ist die Sache glasklar. „Wir haben uns in dieser Koalition darauf verständigt, dass wir den Grundsatz, der Ehrliche darf nicht der Dumme sein, auch im Wirtschaftsrecht durchsetzen wollen“, sagt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPD-Chef Norbert Walter-Borjans am Dienstag in Berlin. „Deswegen wurde im Koalitionsvertrag ganz klar ausbuchstabiert, dass wir ein Unternehmenssanktionsrecht auf den Weg bringen wollen, das nicht nur die Möglichkeit vorsieht, Einzelne zur Verantwortung zu ziehen“, die etwas Korruption oder Betrug begingen, „sondern auch Unternehmen, die davon profitieren“. Weil diese Unternehmen durch Korruption Aufträge erhielten, oder Vorteile hätten, wenn sie Standards nicht einhielten. „Und damit soll Schluss sein“, so Lambrecht. „Es gibt keinen Bereich im Koalitionsvertrag, der so ausbuchstabiert ist wie die Regelungen über das Unternehmenssanktionsrecht.“
Christine Lambrecht: Blockade der Union „sehr ärgerlich“
Und nicht nur das. Die Justizministerin hat sogar einen Gesetzentwurf vorgelegt. „Dieser Gesetzentwurf wurde intensiv diskutiert, in der Regierung, mit dem Koalitionspartner und er wurde im Kabinett beschlossen“, betont sie. Und dann von CDU und CSU blockiert. Es sei „sehr ärgerlich“, kritisiert Lambrecht, dass der Gesetzentwurf „bis heute nicht mit dem Koalitionspartner auf die Tagesordnung des Parlamentes gesetzt werden konnte“.
Die Justizministerin wird noch deutlicher: Es sei „ein Skandal, wenn innerhalb der Koalition der Partner verhindert, dass es überhaupt im parlamentarischen Verfahren diskutiert wird“. In einer Koalition sei es „eine schwierige Situation, damit umzugehen, wenn man sich explizit im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat“.
SPD-Chef Walter-Borjans: Ausbremsen hat Methode
Auch für SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ist das ein unhaltbarer Zustand. Während in Deutschland etwa bei systematischer Steuerhinterziehung nur einzelne daran beteiligte Mitarbeiter*innen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen würden, sei es in den USA oder Frankreich selbstverständlich, dass auch das Unternehmen hafte. Oft drohten dort „drakonische Strafen“, so der SPD-Chef. „Nur bei uns gibt es das nicht.“
Walter-Borjans kritisiert die Union deutlich. Er könne „jetzt auf drei Legislaturperioden zurückblicken“, in denen es um das Thema im Bundestag und Bundesrat gegangen sei, das jedoch immer „im Nichts verschwunden ist am Ende der Legislaturperiode“. CDU und CSU hätten die Gesetzgebung immer wieder ausgebremst. „Und jetzt endet das zwölfte Jahr, in dem wieder am Ende der Legislaturperiode mit den gleichen Methoden versucht wird, das zu verhindern.“
Justizministerin: Whistleblower-Schutz dringend nötig
Verhindern will die Union auch einen wirksamen Whistleblower*innen-Schutz. Der ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Die Wirtschaftsskandale der letzten Jahre, so Justizministerin Christine Lambrecht, „konnten oftmals nur aufgedeckt werden“, weil es Hinweise von einzelnen Mitarbeiter*innen gegeben habe, wie beispielsweise bei den schlechten Hygienestandards in der Fleischindustrie. Das Ganze sei nur ans Licht gekommen, „weil es hier eine mutige Arbeitnehmerin gab, die diese Zustände öffentlich gemacht hat“. Lambrecht erinnert daran, dass diese Mitarbeiterin „das mit ihrem Arbeitsplatz bezahlt“ habe, ihr sei gekündigt worden.
„Und deswegen wäre es so wichtig, neben dem Unternehmenssanktionsrecht auch einen wirksamen Whistleblower-Schutz einzuführen“, argumentiert die Justizministerin. Damit wichtige Hinweisgeber*innen künftig geschützt seien vor Repressionen oder Kündigungen seitens der Arbeitgeber*innen.
Ohne Hinweisgeber keine Aufdeckung der Skandale
„Die EU hat uns eine Richtlinie vorgegeben, die es umzusetzen gilt“, berichtet Lambrecht. Sie habe einen entsprechenden Vorschlag gemacht, der einen umfassend wirksamen Schutz garantiert habe. Doch die Problematik sei „nicht mit der Union zu lösen gewesen“. Die Justizministerin lässt sich davon nicht abhalten: „Wir müssen wirksam dagegen vorgehen, dass solche Machenschaften ungeklärt bleiben. Wir müssen für Transparenz sorgen. Dieser Verantwortung habe ich mich gestellt.“ Leider sei da der Koalitionspartner „eine ganz ganz große Bremse“. Das schade auch dem Ansehen der deutschen Wirtschaft.
SPD-Chef Walter-Borjans berichtet aus seiner siebenjährigen Zeit als NRW-Finanzminister von jahrzehntelang verdecktem milliardenschwerem Steuerbetrug, der nur durch Whistleblower*innen aufgedeckt worden sei. Ohne diese Hinweisgeber*innen „wäre nie Licht in das Dunkel hinein gekommen“, gibt er zu bedenken.
SPD appelliert an CDU und CSU
Der Parteivorsitzende kritisiert den Koalitionspartner: „Es scheint, genau wie systematisch gegen Recht und Gesetz verstoßen wird von der Seite der Unternehmen, auch ein systematischer Schutzreflex stattzufinden. Das darf nicht sein.“ Walter-Borjans verweist darauf, dass es am Ende dieser Legislaturperiode noch eine Sitzungswoche des Bundestages gebe. Er appelliert an CDU und CSU, die Wahlperiode dürfe nicht erneut mit einer Blockade enden. „Wir können es ändern. Und wir sollten es ändern!“