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Sondervermögen für die Bundeswehr: „Aufrüstung ist nicht das Ziel.“

100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr in den kommenden Jahren über ein Sondervermögen erhalten. Wo das Geld gebraucht wird und warum es nicht alle Probleme löst, sagt SPD-Verteidigungsexperte Wolfgang Hellmich.
von Kai Doering · 3. März 2022
Mehr Geld für die Bundeswehr: Mit einem Sondervermögen sollen die Soldat*innen besser ausgestattet werden.
Mehr Geld für die Bundeswehr: Mit einem Sondervermögen sollen die Soldat*innen besser ausgestattet werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat angekündigt, die Bundeswehr mit einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro ausstatten zu wollen. Rüstet Deutschland jetzt auf?

Nein. Aufrüstung ist nicht das Ziel. Mit dem geplanten Sondervermögen erhält die Bundeswehr die Mittel, die notwendig sind, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Das Geld soll in Projekte fließen, die im Koalitionsvertrag bereits vorgesehen, aber noch nicht finanziell hinterlegt sind. Was beschafft werden soll, orientiert sich an den Bedarfen, die die Bundeswehr schon jetzt hat und den Aufgaben, die sie erfüllen muss. Es geht nicht um Aufrüstung, sondern um eine adäquate Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten. Das Sondervermögen soll die bestehenden finanziellen Lücken schließen.

Wo wird das Geld besonders gebraucht?

Da gibt es einige Stellen. Ich nenne ein Beispiel: Wir haben der NATO gegenüber zugesagt, einen schweren Transporthubschrauber zu beschaffen, den das Bündnis für seine Einsätze braucht. Bisher konnten wir diese Zusage nicht erfüllen, weil das Geld fehlte. Mit dem Sondervermögen wird das nun möglich. 100 Milliarden Euro klingen ja nach einer enormen Summe, aber man darf sich das auch nicht so vorstellen, als würde das Geld auf einen Schlag ausgegeben. Es soll vielmehr dann fließen, wenn es gebraucht wird und zwar über Jahre.

Werden mit dem Sondervermögen die Probleme der Bundeswehr gelöst oder braucht es dazu mehr?

Das Sondervermögen löst einige, aber sicher nicht alle Probleme der Bundeswehr. Es fehlt ja nicht nur Geld, sondern auch qualifiziertes Personal. Dafür muss der Dienst attraktiver werden. Bei der Digitalisierung der Bundeswehr kann das geplante Sondervermögen sicher helfen, obwohl auch hier Geld nicht das einzige ist, das wichtig ist. Auch das Beschaffungswesen muss deutlich effektiver werden Da müssen wir an die Strukturen ran.

Die Bundeswehr wurde nach dem Ende des Kalten Kriegs Schritt für Schritt von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee umgebaut. Muss hier nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine umgedacht werden?

Dieses Umdenken ist ja schon in vollem Gange. Die Annexion der Krim 2014 war ein Weckruf für die NATO, nach dem die Bündnis- und Landesverteidigung auf dieselbe Stufe wie Stabilisierungseinsätze gestellt wurden. Die Truppenstationierung im Baltikum ist ein Ergebnis davon. Für diese Aufgabe muss die Bundeswehr natürlich anders aufgestellt und ausgestattet sein. Dafür fehlt aber bisher das Geld, was jetzt durch das Sondervermögen geändert werden soll.

Wie muss sich die Struktur der Bundeswehr verändern, um den neuen Aufgaben gerecht zu werden?

Auf alle Truppenteile kommen neue Aufgaben zu, auf das Heer ebenso wie auf die Marine und die Luftwaffe. Um diese zu erfüllen, müssen die Stäbe flexibler und schneller werden.

In den vergangenen Tagen werden vermehrt Rufe laut, die Wehrpflicht zu reaktivieren. Würde das helfen?

Nein, eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht wäre Unsinn. Um die beschriebenen Aufgaben zu erfüllen, brauchen wir eine professionelle Berufsarmee und keine Wehrpflichtigen, für die wir erst Strukturen neu aufbauen müssten. Zudem müsste für die Wehrpflichtigen ein großer Teil des ohnehin nicht gut besetzten Truppenkörpers abgestellt werden. Die Wehrpflicht würde mehr neue Probleme schaffen als lösen. Man darf ja auch nicht vergessen, dass die Wehrpflicht damals aus Kostengründen ausgesetzt wurde.

Nochmal zurück zum Sondervermögen: AWO, Falken und auch die Jusos kritisieren das Vorhaben. Sehen Sie die SPD in der Frage dennoch einig?

Ja. Wenn ich im Moment mit Menschen spreche, die sich bei Demonstrationen oder Mahnwachen für den Frieden in der Ukraine einsetzen, sehe ich eine große Einigkeit in der Frage, dass wir in der Lage sein müssen, uns selbst zu verteidigen. Auch in der SPD ist die Frage aus meiner Sicht völlig unstrittig. Der Staat hat die Aufgabe, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Davon war und ist die SPD immer überzeugt gewesen. Und weil ja gerne Willy Brandt herangezogen wird, wenn es um die Bundeswehr geht: Als er Kanzler war, lag der Anteil des Bruttosozialprodukts bei über drei Prozent. Brandt wusste, dass man sich nur aus einer Position der Stärke heraus erfolgreich für den Frieden einsetzen kann.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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