Soll sich die Bundeswehr am Einsatz in Syrien beteiligen?
Thomas Trutschel/photothek.net
Nein zum Einsatz der Bundeswehr
Ute Finckh-Krämer: „Deutschland riskiert durch die Unterstützung der Luftangriffe seine Rolle als „ehrlicher Makler“ im Friedensprozess.“
Terroranschläge in Europa werden nicht durch militärische Angriffe auf Unterstützer oder Hintermänner der Täter verhindert, sondern durch polizeiliche Ermittlungen (z.T. auf Grund geheimdienstlicher Erkenntnisse) und durch präventive Maßnahmen gegen die Radikalisierung von Jugendlichen.
In der Resolution 2249 des UN-Sicherheitsrates vom 20.11.2015 steht ein sehr wichtiger Punkt: „Der Sicherheitsrat (…) fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre Anstrengungen zur Eindämmung des Zustroms ausländischer terroristischer Kämpfer nach Irak und Syrien und zur Verhütung und Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zu verstärken (…)“. Das wird seit Jahren gefordert, aber nicht umgesetzt. Da auch die Befürworter des Syrienmandats zugeben, dass mit militärischen Mitteln alleine der IS nicht besiegt werden kann, ist es unverständlich, warum ein neues Bundeswehrmandat innerhalb von Tagen verabschiedet werden kann, das geplante Gesetz zur Verhinderung des Handels mit Kulturgütern aus Raubgrabungen (eine der Finanzierungsquellen des IS) aber seit zwei Jahren nicht zustande kommt. Hier könnte die Bundesregierung zeitnah selbst mit gutem Beispiel vorangehen und anschließend für wirksame internationale Regelungen kämpfen.
Luftangriffe in Syrien und Verhandlungen in Wien passen nicht zusammen
Auch die Finanzierung fundamentalistisch-islamischer Medresen und Moscheen durch Stiftungen aus den Golfstaaten (insbesondere Saudi-Arabien und Katar) geht in vielen Ländern unbehindert weiter – dabei ist nachgewiesen, welche wichtige Rolle bei der Rekrutierung neuer Dschihadisten diese Einrichtungen spielen. Auch hier sind internationale Initiativen dringend notwendig, Deutschland könnte auch hier zeitnah aktiv werden.
Eine Verstärkung der Luftangriffe der US-geführten Anti-IS-Koalition und der Verhandlungsprozess in Wien passen nicht zusammen. Der Abschuss eines russischen Bombers durch türkische Abfangjäger hat gezeigt, wie groß das Eskalationspotenzial ist, wenn Länder mit verschiedenen, sich widersprechenden Zielen in den gleichen Konflikt militärisch eingreifen. Russland möchte die Regierung Assad stärken, die Türkei sie stürzen (und einen selbstständigen Kurdenstaat verhindern), die Koalition nur den IS bekämpfen – wie soll das zusammenpassen? Deutschland riskiert durch die Unterstützung der Luftangriffe seine Rolle als „ehrlicher Makler“.
Ja zum Einsatz der Bundeswehr
Rainer Arnold: „Solidarität ist keine Einbahnstraße. Deutschland muss mit dazu beitragen, dass die Terroristen zurückgedrängt werden.“
Um es klar zu sagen: Die Beteiligung Deutschlands an der Bekämpfung des IS ist keine Lösung für den syrischen Bürgerkrieg. Politische Lösungen gibt es nur auf dem Weg diplomatischer Verhandlungen. Klar ist auch, dass ein Aufbau Syriens nach Assad nur mit Teilen seiner Administration und seines Sicherheitsapparates gelingen kann. Assad selbst kann und darf keine Rolle mehr spielen. Unser Außenminister hat viel dazu beigetragen, den Prozess von Wien zu installieren, wo unter anderem Russland, der Iran und Saudi-Arabien mit an einem Tisch sitzen. Ohne sie wird eine Lösung der Konflikte nicht zu erreichen sein.
Seit Jahren beobachten wir mit wachsender Besorgnis das Erstarken des IS im Nahen und Mittleren Osten. Über 6.000 Morde gingen allein 2014 auf sein Konto. Der IS verfügt mittlerweile über ein staatsähnliches Gebilde und kontrolliert große Gebiete im Irak und in Syrien.
Der Einsatz der Bundeswehr ist völker- und verfassungsrechtlich abgedeckt
Aus drei Gründen beteiligen wir uns jetzt militärisch mit 1.200 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Kampf gegen den IS.
1. Die Ausbreitung des IS hat einen Nimbus von Unbesiegbarkeit erzeugt, dem zunehmend junge Männer aus Westeuropa verfallen, über 3.000 sind es mittlerweile, davon sind rund 800 aus Deutschland. Ein weiterer Zustrom sollte in unserem ureigenen Sicherheitsinteresse verhindert werden.
2. Die Franzosen haben in diesem Jahr zwei schreckliche Anschläge erleben müssen, der letzte ist gerade drei Wochen her. Frankreich, unser engster Verbündeter, hat jetzt die Europäer auf der Grundlage von Artikel 42/7 der EU-Charta um Hilfe gebeten. Dieser Bitte sollten wir nachkommen. Europa ist derzeit in einer tiefen Krise, von der europäischen Solidarität ist wenig zu sehen. In dieser Situation ausgerechnet die besonders enge Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich aufzukündigen, würde Europa großen Schaden zufügen.
3. Der islamistische Terror ist nicht erst seit den furchtbaren Anschlägen von Paris eine Bedrohung der freien Welt. Drei Resolutionen haben die Vereinten Nationen mittlerweile gegen den islamistischen Terror verabschiedet. Wir müssen mit dazu beitragen, dass die Terroristen zurückgedrängt werden.
Die Fähigkeiten, die die Bundeswehr einbringt, – Aufklärung, Luftbetankung und der Schutz des französischen Flugzeugträgers – sind alle völker- und verfassungsrechtlich abgedeckt.
Der Anschlag in dem Pariser Stadion war auch ein gezielter Anschlag gegen uns Deutsche. Kein Staat wird mit den Herausforderungen des extremistischen Terrors alleine fertig. Sollten auch wir in Deutschland Anschläge nicht verhindern können, werden wir auf Unterstützung durch unsere Partner angewiesen sein. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Auch dies gilt es zu bedenken.
ist SPD-Bundestagsabgeordnete aus Berlin und Obfrau im Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln.