So will Martin Schulz die deutsche Wirtschaft langfristig stärken
Einen Tag nach dem Sieg des pro-europäischen Politikers Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl spricht sich SPD-Chef Martin Schulz für ein starkes Europa aus. Die deutsche Wirtschaft werde nur in einem funktionierenden europäischen Wirtschaftsraum langfristig erfolgreich sein, sagte Schulz am Montag bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin. Es sei ihm ein wirklich wichtiges Anliegen, „unsere Stärken effektiver einzusetzen, um unsere europäischen Partner durch unsere Kraft stärker zu machen“, erklärte er.
Vorfahrt für Investitionen
Investitionen, Gerechtigkeit und mehr Unterstützung, um die Umbrüche der Digitalisierung zu gestalten, das sind zentrale Anliegen, die Martin Schulz bei seiner ersten wirtschaftpolitischen Grundsatzrede als SPD-Kanzlerkandidat betont. „Wir wollen Geld in die Hand nehmen, damit es nach vorne geht“, sagte er. Deutschland habe einen Investitionsrückstand von 140 Milliarden Euro bei den Kommunen. Und im Vergleich zu anderen Industrienationen eine zu niedrige Investitionsquote.
„Bei allen wirtschaftlichen Erfolgen leben wir schon lange von der Substanz“, so Schulz. Investieren möchte er vor allem in die Bereiche Infrastruktur, Bildung und in den Breitbandausbau. Denn allein bei den Schulen gebe es einen Investierungsstau von 34 Milliarden Euro. Schulz: „Hier will ich gegensteuern.“ Applaus erhielt Schulz für die Ankündigung, dass dieser Tage das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufgebrochen werde. Denn, so Schulz, Bildung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
SPD ist Industriepartei
Es seien vor allem mittlere und kleinere Unternehmen, die von einer solchen Investitionsoffensive profitieren würden, die sich zudem positiv auf den europäischen Markt auswirken werde. Die Stärken der deutschen Wirtschaft sieht Schulz aber nicht nur im Mittelstand, sondern auch bei den Startups, die der Mittelstand von morgen seien und in der deutschen Industrie.
Schulz erinnerte daran, dass es die Sozialdemokratie war, die den Industriestandort Deutschland erhalten habe, um den man uns heute beneide. „Wir als Sozialdemokraten sind stolz darauf, eine Industriepartei zu sein“, betonte er. Seine Aussage will er jedoch nicht im Sinne einer sentimentalen Rückwärtsgewandheit verstanden wissen, sondern weil „wir wissen, dass Deutschland nur eine Zukunft mit einem starken verarbeitenden Sektor hat“.
Doch man dürfe sich nicht auf dem Erreichten ausruhen, mahnte Schulz. Digitalisierung und Globalisierung seien Prozesse, die unsere Wirtschaft jetzt schon umwälzen. Darin sieht der ehemalige Europapolitiker aber mehr Chancen als Risiken und erinnerte in diesem Zusammenhang an einen Ausspruch Willy Brandts: „Wer morgen sicher leben will, muss heute für Reformen kämpfen.“
Fortschritt braucht Gerechtigkeit
Kämpfen will auch Schulz als Kanzlerkandidat. Das Kleinklein und das Ablehnen von allen großen Entwürfen seien ihm zu ambitionslos. Vielmehr teile er die Begeisterung derjenigen, die längst aufgebrochen sind in eine neue Zeit und neue Antworten verlangen.
Doch die zentrale Voraussetzung für Innovation und Fortschritt sei Gerechtigkeit, so Schulz. „Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen gefährdet unsere Zukunftschancen. Das belegen zahlreiche Studien.“
Es sind zwei Maßnahmen, die Schulz an dieser Stelle als Beispiele nennt, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen: Die Parität bei den Zusatzbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung herstellen, denn in einer alternden Gesellschaft müsse das Modell des Gesundheitssystems auch tragfähig bleiben, und die von Andrea Nahles vorgestellte „doppelte Haltelinie bei den Renten einziehen, um ein armutsfestes Rentenniveau“ zu garantieren. Für Schulz eine „Dimension der Leistungsgerechtigkeit“.
Langfristigkeit als Maßstab
Dem Wunsch nach Steuersenkungen erteilte Schulz eine klare Absage. Zwei Gefahren sehe er im Wahlkampf: „Das sind unerfüllbare Sozialversprechen und unerfüllbare Steuersenkungsversprechen. Beides wird es mit mir nicht geben“, betonte Schulz. Er wisse, dass vor allem bei mittleren und unteren Einkommen etwas getan werden müsse. Doch könne die Antwort nicht in Steuergeschenken liegen, die mit der Gießkanne ausgeteilt würden, von denen am Ende nur diejenigen profitieren, die am meisten haben.
Bei allen Maßnahmen setzt Schulz vor allem auf eines: Langfristigkeit, denn Deutschland müsse auch in 15, 20 Jahren noch stark sein. Und er bekennt sich klar zur Philosophie der Sozialen Marktwirtschaft und zum Motto: „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“. Mit dieser Philosophie wolle er eine neue Dynamik und Aufbruchsstimmung schaffen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.