Inland

So will die SPD-Fraktion das Rekorddefizit der Krankenkassen abbauen

Das Minus der Gesetzlichen Krankenversicherung erreicht mit 17 Milliarden Euro einen Höchststand. Die SPD-Bundestagsfraktion will eine faire Belastung aller Beteiligten – nicht nur der Versicherten, so ihr Gesundheitsexperte Christos Pantazis.
von Christos Pantazis · 31. August 2022
Akuter Handlungsbedarf: Das Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung hat einen neuen Höhepunkt erreicht mit prognostizierten über 17 Milliarden Euro  – die Tendenz ist steigend.
Akuter Handlungsbedarf: Das Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung hat einen neuen Höhepunkt erreicht mit prognostizierten über 17 Milliarden Euro – die Tendenz ist steigend.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) befindet sich in einer finanziell prekären Situation. Bereits seit 2019 schreibt die GKV rote Zahlen. Die Herausforderungen der letzten Jahre wie die Corona-Pandemie sowie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben ihre finanzielle Lage zusätzlich nachhaltig belastet. Zu den schwerwiegendsten Problemen der GKV gehören das Auseinanderklaffen von Einnahmen und Ausgaben. Während also die Ausgaben für die Versicherten sukzessive gestiegen sind, entstand ein milliardenschweres Defizit. Und das hat einen absoluten Höhepunkt mit über prognostizierten 17 Milliarden Euro erreicht – Tendenz steigend. Dass das so nicht weitergehen kann und darf, ist politisch wie gesellschaftlich offensichtlich geworden.

Das Bundeskabinett hat daher einen Entwurf zur Finanzstabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Viele der darin aufgeführten Maßnahmen, die die missliche Lage der GKV ausgleichen sollen, sind gut und richtig. Der Entwurf zeigt, dass die Probleme gesehen und Lösungen von vielen verschiedenen Seiten aus gedacht werden.

Pantazis: Es gilt das „Struck‘sche Gesetz“

Zugleich gilt wie in jedem parlamentarischen Gesetzesverfahren das altbekannte „Struck‘sche Gesetz“, bei dem die Koalitionsfraktionen weitere notwendige Anpassungen identifizieren und vollziehen werden. Diese müssen sich vor allem an den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ausrichten. So hat die Fortschrittskoalition bereits Potentiale ausgemacht, die die GKV zukunftsweisend und krisenfest aufstellen werden.

Zum einen muss der Bundeszuschuss für sogenannte versicherungsfremde Leistungen – darunter zählen z.B. das Krankengeld bei Betreuung eines kranken Kindes oder Mutterschaftsgeld – künftig an die finanziellen Lage angepasst, also dynamisiert werden.  Nach dem aktuell vorliegenden Regierungsentwurf ist zwar eine Erhöhung vorgesehen, eine Anpassung an die sich entwickelnde finanzielle Situation ist darin jedoch nicht vorgesehen.

Mehr Unterstützung für ALG II-Empfänger*innen

Zum anderen bedarf es einer Erhöhung des pauschalen Beitrags für ALG II-Empfänger*innen, den der Bund für jeden ALG II-Beziehenden monatlich an die Krankenkassen abführt. Denn dieser ist mitnichten kostendeckend. Eine Fortsetzung dieser bekannten Unterdeckung – insbesondere unter den aktuell krisenbedingen Auswirkungen – würde unweigerlich zu einer weiteren Verschuldung der GKV führen. Es braucht daher eine spürbare Erhöhung der Pauschalen, die das Defizit der GKV um bis zu 10 Milliarden reduzieren würde. Eine Anpassung dieser Pauschalen wäre zudem ein Gebot der Gerechtigkeit, da sie perspektivisch zu einer finanziellen Entlastung der Beitragszahler*innen führen würde. Insofern gilt es an dieser Stelle, mehr Fortschritt zu wagen und im parlamentarischen Aushandlungsprozess diese Eckpunkte in den Gesetzesentwurf einfließen zu lassen.

Die Auswirkung der Corona-Pandemie sowie des Krieges in der Ukraine stellen erhebliche Herausforderungen dar und werden uns sicherlich auch in den kommenden Jahren beschäftigen. Trotzdem verfolgt die SPD-Bundestagsfraktion auch weiterhin das Ziel, Leistungskürzungen aus dem Katalog der GKV – wie jüngst vom liberalen Koalitionspartner ins Spiel gebracht – auszuschließen. Das zentrale Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherungen ist das Solidaritätsprinzip. Eine Leistungskürzung würde diesem Prinzip diametral entgegenlaufen und wäre nicht zu verantworten. Stattdessen ist es in Anbetracht der hohen Defizite der GKV absolut unumgänglich, dass verschiedene Ansätze zur Senkung der Finanzierungslücke herangezogen werden. Dabei muss klar sein: Die Beitragszahler*innen allein dürfen nicht zur Kasse gebeten werden, schon gar nicht in den wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wie diesen.

Auch Ärzt*innen und Apotheken beteiligen

Wenngleich eine Erhöhung der Beitragssätze in einem moderaten Rahmen unumgänglich zu sein scheint, gebietet es sich, die Last auf verschiedenen Schultern zu verteilen. Zur Deckung der Finanzlücke sollen somit auch Beitragsreserven von Kassen und Gesundheitsfonds herangezogen sowie Darlehen aufgenommen werden. Angedacht ist auch Ärzt*innen, Apotheken, pharmazeutische Hersteller*innen und viele andere Akteure im Gesundheitswesen zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung heranzuziehen.

Als Sozialdemokrat*innen müssen wir vor allem im Blick behalten, dass der Ausgleich des GKV-Defizits sozial verträgliche Lösungen ohne Leistungskürzungen bedarf. Vor genau diesem Hintergrund bekennen wir uns zu einer stabilen und verlässlichen Finanzierung der GKV und werden diesem Vorsatz entsprechend auch gegen Widerstände in der Ampelkoalition folgen. Die SPD wird auch weiterhin der Garant für eine soziale Politik sein, die eine umfangreiche, qualitätsorientierte gesundheitliche Versorgung für alle ermöglicht. Daran darf auch das von Spahn hinterlassene „historische Defizit“ der gesetzlichen Krankenversicherungen nichts ändern.

Autor*in
Christos Pantazis

ist stellv. gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

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