So will die SPD aus ihren Fehlern bei der letzten Wahl lernen
Von einer „ehrlichen und schonungslosen Analyse“, spricht SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Zentral für den Erneuerungsprozess der Partei sei die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. Klingbeil leitet aus der vorgelegten „Analyse der Bundestagswahl 2017“ vier Schlussfolgerungen für die SPD ab. Als ersten Punkt betont er die Wichtigkeit einer langfristigen Planung der politischen Arbeit. Die SPD habe 2017 denselben Fehler begangen wie 2013, weil die Kür des Kanzlerkandidaten unvorbereitet und zu spät erfolgt sei. Der Kanzlerkandidat solle künftig früher bestimmt werden.
Zweitens gelte es, die Parteizentrale im Willy-Brandt-Haus neu aufzustellen. Klingbeil konstatiert hier keine Fehlleistungen der Mitarbeiter, sondern stellt fest, dass „die politische Führung nicht geklappt“habe. Es werde bereits in diesem Sommer eine Diskussion mit den Mitarbeitern zur Neuaufstellung geben. Zentrale Punkte seien Kampagnenfähigkeit, Serviceorientierung und Wissenstransfer. Als dritten Punkt nennt Klingbeil die Notwendigkeit „klare Ideen für die Zukunft“ zu entwickeln..
Klingbeil: „Erkennbar durch eine klare Haltung sein“
Die SPD müsse „erkennbar sein“ durch eine klare Haltung. Inhaltlich strittige Fragen seien zu klären, etwa die deutsche Politik gegenüber Russland. Schließlich spricht sich Klingbeil als vierten Punkt für eine „neue Führungskultur in der Partei“ aus. Es habe in der Vergangenheit oft „kein Miteinander in der Parteiführung“ gegeben. Wichtig sei künftig mehr Offenheit und Zusammenarbeit.
In der Partei stößt das Vorgehen der Parteiführung auf viel Zustimmung. „Der Bericht ist schonungslos und ehrlich. Und weil er das ist, ist er vor allem auch mutig“, lobt der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert. „Am gravierendsten fällt auf, dass wir endlich wieder anfangen müssen, unsere Politik aus einer klaren Haltung abzuleiten und nicht aus der Versuchung, es allen recht machen zu wollen.“ Auch die SPD-Landesvorsitzende in Bremen Sarah Ryglewski betont: „Es geht um mehr Klarheit und Haltung. Der Dialog mit den Menschen vor Ort steht für mich im Mittelpunkt.“
Die SPD müsse „eigenständig und unabhängig“ Ziele bestimmen und Kurs halten – und darum „noch heute die überfällige SPD Position zur Zukunft der Rente erarbeiten“, wünscht sich Michael Groschek, SPD-Bundesparteivorstandsmitglied aus Nordrhein-Westphalen, von seiner Partei. „Gerade auch bei Europa müssen wir Haltung zeigen, erkennbar bleiben, mehr Mut zu einem gemeinsamen Kerneuropa beweisen“, so Groschek. Die große „Willy wählen“-Erzählung sei inzwischen auserzählt.
Ein neuer großer Wurf in der Zeit von Globalisierung und Digitalisierung sei nun gefordert. „Und eine Generation, die sich beim Streit darum die Macht erkämpft, in der Partei und im Land.“
Annen: „Wir brauchen eine neue Kommunikationskultur“
Martin Dulig, SPD-Ostbeauftragter und stellvertretender sächischer Ministerpräsident, nennt Vertrauen als entscheidenden Punkt für die Erneuerung: „Gerade in Ostdeutschland ist der Vertrauensverlust in die SPD besonders schwerwiegend. Wir müssen unsere Politik besser erklären und für unsere Überzeugungen mit Haltung werben.“
Ähnlich sieht das auch Katja Pähle, SPD-Landes- und Franktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt: „Wir müssen das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen“, so Pähle. „Neben der Arbeit an der Fraktionsspitze setze ich deshalb stark auf das direkte Gespräch mit Menschen darüber, was sie von der SPD erwarten. Nicht ab und an, sondern Woche für Woche mehrmals, und ich lerne viel dabei. Genauso wichtig ist für uns Vertrauen und Zusammenhalt in der Landespartei.“
Leni Breymeier, Vorsitzende der SPD in Baden-Württemberg, nennt „Dialog und Kommunikation“ als wichtigste Themen, wenn es um die Erneuerung der SPD geht: „Es darf nicht mehr passieren, dass wir der Partei etwas überstülpen und sie inhaltlich nicht mitnehmen.“ Nötig sei mehr Dialog, ganz unabhängig vom Thema, und mehr Austausch mit Verbänden und Kultur. „In Baden-Württemberg haben wir uns auf den Weg gemacht, arbeiten auch an strukturellen Fragen. Ich bin dankbar für die Zeit und die Kompetenz, die von vielen eingebracht wird“, so Breymeier. Im November beim Landesparteitag solle dieser Prozess seinen vorläufigen Abschluss finden. „Wir alle sollten nicht nur nach Schuldigen suchen, sondern unsere eigene Verantwortung reflektieren.“
Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, spricht sich ebenfalls entschieden für eine neue Kommunikationskultur aus: „Das Fundament hierfür sind klare Inhalte.“ Für die Wählerinnen und Wähler sei nicht mehr erkennbar gewesen, wofür die SPD stehe. „Es sollte wieder die Sozialdemokratie sein, die im Wahlkampf die Themen in der Öffentlichkeit besetzt. Das aber schaffen wir nur mit verständlichen Botschaften und klaren Schwerpunktsetzungen“, so Annen weiter.
„Veränderte Parteistrukturen sollten hierbei den Raum für notwendige Debatten schaffen, die Beteiligung unserer Mitglieder stärken und so die Kampagnenfähigkeit der SPD sichern.“ Sein Appell: „Unsere Parteizentrale allein die Erneuerung der SPD nicht bewältigen kann. Jedes Mitglied ist wichtig, um unsere Politik zu erklären und im Land dafür zu werben.“ Hierfür die Strukturen in den Wahlkreisen zu schaffen, sei auch die Aufgabe der Abgeordneten. „Wir müssen uns Gedanken machen über neue Gesprächsformate, Mobilisierungsstrategien und Beteiligungsangebote.“
Schwesig: „Die SPD hat viel zu bieten“
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, richtet den Blick nach vorn, auf die „großen Zukunftsthemen. Wir müssen unsere Vorhaben in der Regierung umsetzen und als Partei Antworten auf wichtige Zukunftsfragen finden, die über diese Wahlperiode hinausgehen.“ Die SPD habe viel zu bieten zu den Themen Zukunft der Arbeit, europäische Einigung und Zukunft des Sozialstaats. „Ich freue mich, an neuen Ideen für die SPD mitzuarbeiten“, so Schwesig.
Generalsekretär Klingbeil betont das „große Potential für eine starke SPD“, das das Umfrage-Hoch nach der Benennung von Martin Schulz als Kanzlerkandidat zu Beginn des vergangenen Jahres bewiesen habe. Klingbeil dankt ausdrücklich Schulz, dass dieser die Wahlanalyse in Auftrag gegeben habe.