Inland

So will die Regierung gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen

Der Bund will gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen. Für SPD-Ministerin Franziska Giffey können die nur erreicht werden, „wenn die, die schon viel haben, bereit sind, nicht noch mehr zu bekommen, sondern zugunsten der Schwächeren solidarisch zu sein“.
von Carl-Friedrich Höck · 11. Juli 2019

Kommunen ohne Busanbindung, ohne Arbeitsplätze, ohne Mobilfunknetz – damit soll demnächst Schluss sein. Das zumindest ist das Ziel, das am Mittwoch gleich von drei Bundesministern vertreten wurde. Gemeinsam stellten Innenminister Horst Seehofer (CSU), Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) die Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ vor. Diese war vor einem Jahr von der Bundesregierung eingesetzt worden. Auch Länder und kommunale Spitzenverbände waren beteiligt.

Solidarität notwendig

Für SPD-Ministerin Franziska Giffey können gleichwertige Lebensverhältnisse nur erreicht werden, „wenn die, die schon viel haben, bereit sind, nicht noch mehr zu bekommen, sondern zugunsten der Schwächeren solidarisch zu sein“, erklärte sie. Für sie gehe es auch darum, den sozialen Frieden und Wohlstand auf lange Sicht zu bewahren. Dazu sei Solidarität notwendig, die Starken müssten sich für die Schwachen einsetzen. Ende des Jahres endet der Solidarpakt II, aus dem vor allem die ostdeutschen Bundesländer Unterstützung erhalten. Er soll von einem gesamtdeutschen Fördersystem abgelöst werden, in dem die Himmelsrichtungen keine Rolle mehr spielen. Giffey stellte klar: Die künftige Förderstruktur müsse so gestrickt werden, dass eben nicht alle Regionen „noch eine Extra-Förderung obendrauf bekommen”, sondern strukturstarke Kommunen auch mal leer ausgehen.

Was die Regierung plant

Die Minister präsentierten eine Reihe von Schwerpunkten, die nun von den jeweiligen Ressorts in eigener Verantwortung umgesetzt werden sollen.

  • Die Wirtschaftsförderung soll auf strukturschwache Gebiete konzentriert werden, um dort Arbeitsplätze zu schaffen.
  • Der Bund will seine Dienstleistungsbereiche dezentraler und mehr in der Fläche ansiedeln. Das betrifft vor allem neu geschaffene Behörden oder wissenschaftliche Einrichtungen.
  • Weiße Flecken bei der Breitbandversorgung und beim Mobilfunk sollen geschlossen werden.
  • Der Verfall von Dörfern mit hohem Leerstand, aus dem junge Menschen wegziehen, soll gestoppt werden.
  • Die Bundesregierung will eine Stiftung einrichten, die ehrenamtliches Engagement fördern und unterstützen soll. Diese wird in einem ostdeutschen Bundesland angesiedelt.
  • Ländliche Regionen sollen in der Verkehrsplanung des Bundes stärker berücksichtigt werden als bisher.
  • Der Bund wird sich über das Jahr 2021 hinaus am Sozialen Wohnungsbau beteiligen.
  • Auch die Unterstützung des Bundes für die Kita-Betreuung (Gute-Kita-Gesetz) wird über 2022 hinaus fortgeführt.
  • Die Regierung plant einen Gleichwertigkeits-Check: Bei jedem neuen Gesetz soll in Zukunft vorab geprüft werden, wie es sich auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auswirkt.

Kommunale Altschulden: Gesprächsangebot statt fester Zusagen

Konkretere Aussagen hatten sich viele Bürgermeister und Landräte zum Thema kommunale Altschulden gewünscht. Manche Städte und Gemeinden ächzen unter einem so hohen Schuldenberg, dass sie ihn aus eigener Kraft nicht mehr abtragen können. Oft sind diese Altschulden die Folge eines Strukturwandels: Die Kommunen sind unverschuldet in Not geraten. Ohne finanzielle Freiräume können sie aber nicht investieren. Sie haben kein Geld für Kulturangebot oder Wirtschaftsförderung. Das verstärkt die Abwanderung und den Verlust von Arbeitsplätzen – was die kommunalen Steuereinnahmen weiter sinken lässt. Ein Teufelskreis.

Den will die Bundesregierung durchbrechen. Doch gerade bei diesem für viele Kommunen wichtigen Punkt blieben die Minister am Mittwoch vage. Innenminister Seehofer sagte: Man sei bereit, „als Bund darüber zu reden“, wie das Altschuldenproblem gelöst werden könne.

Giffey: Situation vor Ort muss sich spürbar verbessern

Franziska Giffey betonte: „Am Ende des Tages wird Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse vor Ort gemacht, in der Lokal- und Kommunalpolitik.“ Wenn man es nicht schaffe die Kommunen so zu stärken, dass die Bürger konkrete Verbesserungen im Alltag spürten – auf der Straße, im Park, in den Schulen – dann werde es nicht funktionieren.

Hilfestellung soll den Politikern in Bund, Land und Kommunen ein „Deutschlandatlas“ geben, der am Mittwoch ebenfalls vorgestellt wurde. Er stellt auf 54 Landkarten die Unterschiede zwischen den Kommunen und Regionen dar: Welche Gegenden sind dünn besiedelt? Wo profitieren Kommunen von hohen Steuereinnahmen, wo engen Kassenkredite ihre Spielräume ein? In welchen Kommunen gibt es Wohnungsleerstand und wo teure Mieten? Und wie sieht es mit der Gesundheitsversorgung aus?

Erstellt wurde der Atlas vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Auftrag der Bundesregierung.

Der Beitrag erschien zuerst bei www.demo-online.de

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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