So will Bremens neuer Bürgermeister Andreas Bovenschulte punkten
Zu übersehen ist der Mann nicht. Mit seinen gut zwei Metern wirkt Andreas Bovenschulte wie eine Art Leuchtturm. Ein bisschen erinnert er durch seine Größe an Henning Scherf. Doch es liegt eine Generation Politikverständnis zwischen Scherf und Bovenschulte. Letzterer soll es nun richten – die Delegierten des SPD-Landesparteitages wählten den 53-Jährigen am 6. Juli mit 95,9 Prozent zum Kandidaten für den Bürgermeister und Nachfolger von Carsten Sieling.
Sieling zieht Konsequenz aus Wahldebakel
Dieser hatte am 1. Juli nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken erklärt, nicht wieder zu kandidieren. Sieling übernahm damit die politische Verantwortung für das historisch schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Bürgerschaftswahl am 26. Mai. Laut Statistischem Landesamt fuhr die SPD nur 24,9 Prozent der Stimmen ein – macht gegenüber 2015 ein Minus von 7,9 Prozent. Erstmals wurde die CDU mit 26,7 Prozent stärkste Kraft im kleinsten Bundesland.
Nun also Andreas Bovenschulte. Er ist nicht nur aufgrund seiner Körperstatur so etwas wie ein Leuchtturm, sondern auch im übertragenen Sinne. Er soll den Sozialdemokraten künftig den Weg zeigen. Wie er das bewerkstelligen möchte, weiß er längst. Bovenschulte, promovierter Jurist, erwartet von den Mandatsträgern seiner Partei, dass sie viel mehr als in den vergangenen Jahren in den Stadtteilen und Quartieren Bremens und Bremerhavens präsent sind.
SPD muss Vertrauen zurückgewinnen
Politik ist für ihn viel mehr als Gremiensitzungen. Politik hat für Bovenschulte vor allem mit Menschen zu tun. Die Funktionsträger der SPD müssen zuhören. Nur so lässt sich nach Überzeugung des Bürgermeisters in spe verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen.
Das beste Beispiel dafür sieht Bovenschulte im Klimaschutz. Ihn hat sich die künftige rot-grün-rote Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Klimaschutzvorbehalt für alle Projekte und Ausgaben des Landes inklusive. Bovenschulte aber hat auf dem Landesparteitag klargemacht: „Wenn wir die Menschen nicht mitnehmen, wenn wir ihnen nicht klarmachen, dass das alltägliche Leben vereinbar ist mit dem Klimaschutz, werden wir uns gesellschaftlich mit den Maßnahmen nicht durchsetzen.“
Bovenschulte will Re-Kommunalisierung
Mit seinem Credo hinaus in die Stadtteile und Quartiere zu ziehen, outet sich Bovenschulte als sozialdemokratischer Kommunaler allererster Güte. Dass davon etwas in ihm steckt, hatte er schon in seiner Zeit als Landesvorsitzender der Bremer SPD von 2010 bis 2013 gezeigt. Damals startete Bovenschulte auf der politischen Ebene die Re-Kommunalisierung. Seine Ideen stellte er unter anderem beim DEMO-Kommunalkongress vor. Heute ist die die Stadtgemeinde mit 49 Prozent an der neuen Bremer Stadtreinigung beteiligt.
Wie Kommunales geht, hat Bovenschulte von der Pike auf gelernt: Bis 2013 war er Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, von 2013 bis Mai 2019 Bürgermeister der Gemeinde Weyhe südlich von Bremen. „Die letzten fünf Jahre als Bürgermeister waren noch einmal eine richtige Lehrzeit“, sagte Bovenschulte beim SPD-Landesparteitag in seiner mit viel Applaus bedachten Bewerbungsrede. Jeden Tag seien die Menschen mit ihren Sorgen zu ihm gekommen. Er habe sich mit seinen Mitarbeitern jeden Tag immer beraten müssen: Was ist das Problem, wie kann die Lösung aussehen?
Mit beiden Beinen auf dem Boden
Diese Nähe zueinander hält Menschen naturgemäß mit beiden Beinen auf den Boden – was der werdende Bürgermeister zweifelsohne geblieben ist. Wer mit ihm persönlich zu tun hat oder ihn in Veranstaltungen erlebt, spürt eine gehörige Portion Empathie und Bescheidenheit dort, wo sie angebracht ist.
Im Vordergrund steht für den 53-jährigen Juristen nun, dass der rot-grün-rote Senat seine Arbeit aufnehmen kann, der nach den Sommerferien im August von der Bürgerschaft gewählt werden soll. Wie er sich die Arbeit der neuen Landesregierung vorstellt, ist ihm auch schon klar.
Riesenchance für die SPD
Im Gespräch dem „vorwärts“ betont Bovenschulte den Teamgeist, den er einfordert: „Ich will nicht der Bürgermeister einer Wettbewerbskoalition sein. Ich will der Bürgermeister einer Koalition sein, die sich auf ein gemeinsames Programm verständigt hat. Das ist der einzige und vernünftige Weg.“ Den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schreibt er ins Stammbuch: „Dieser Koalitionsvertrag ist eine Riesenchance für die SPD. Aber die müssen wir auch nutzen, denn eine weitere werden wir nicht mehr kriegen.“
Am Donnerstag soll der neue Senat gewählt werden und mit ihm Andreas Bovenschulte als neuer Bürgermeister. Endgültig den Weg dafür frei machten am Dienstag SPD, Grüne und Linke. Die drei Parteien unterzeichneten den zuvor ausgehandelten, 120 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag. Damit wird Bremen künftig als erstes Bundesland von einer rot-grün-roten Koalition regiert.