So sorgt Hubertus Heil für mehr Arbeitnehmer-Schutz in der Fleischbranche
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Was ist der Anlass für das Arbeitsschutzkontrollgesetz?
Die Corona-Ausbrüche in diversen Fleischfabriken haben zu hunderten von Infektionsfällen geführt. Die Ursache waren nicht eingehaltene Abstands- und Hygieneregelungen und damit ein mangelhafter Schutz der Arbeitnehmer*innen. Das zeigte: Die bisherigen Regelungen reichten entweder nicht aus oder ihre Einhaltung wurde zu wenig kontrolliert. Damit bestand akuter Handlungsbedarf.
Was wird das neue Gesetz an den Missständen ändern?
Das Gesetz wird den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer*innen vor allem durch häufigere Kontrollen und eine Mindest-Kontrolldichte verbessern. Die Kontrollen durch die Arbeitsschutzaufsicht in den Ländern sind seit 2007 immer weiter gesunken. Dieser Trend wird nun korrigiert und umgekehrt. Der Bund setzt jetzt bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Prüfungen fest: Die Anzahl der zu besichtigenden Betriebe wird schrittweise deutlich erhöht, sie muss Jahr für Jahr gesteigert werden. Ab 2026 sollen so jährlich mindestens fünf Prozent der Betriebe kontrolliert werden.
Bisher gelten die Bußgelder bei Verstößen gegen die Arbeitszeit von Arbeitnehmer*innen als sehr gering. Was wird sich hier ändern?
Wer als Arbeitgeber*in gegen Arbeitszeitregelungen verstößt, hat derzeit nur mit Bußgeldern von bis zu 15.000 Euro zu rechnen. Dieser Höchstbetrag wurde seit 1994 nicht verändert. Darum wird jetzt der Bußgeldrahmen aktualisiert: Der Höchstbetrag wird auf bis zu 30.000 Euro verdoppelt. Darüber hinaus werden die Arbeitgeber in der Fleischindustrie zur elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeit verpflichtet.
Ein großes Problem in der Fleischindustrie ist der Einsatz von Fremdpersonal. Was sieht das neue Gesetz hier vor?
Beim Schlachten und der Verarbeitung von Fleisch dürfen in einem Betrieb oder Produktionsstandort künftig nur noch Arbeitnehmer*innen des eigenen Unternehmens eingesetzt werden. Diese Regelungen gelten für Werkverträge ab dem 1. Januar 2021 und für Leiharbeit ab dem 1. April 2021. Davon ausgenommen sind lediglich Unternehmen des Fleischerhandwerks mit bis zu 49 Mitarbeiter*innen.
Was wird getan, um die schwierige Lage ausländischer Arbeitnehmer*innen zu verbessern?
Damit sich ausländische Arbeitnehmer*innen in ihrer Sprache über ihre Rechte und geltende Arbeitsschutzbedingungen informieren können, wird die Beratung „Faire Mobilität“ verstetigt und zwar bereits im Rahmen der Umsetzung der geänderten Entsenderichtlinie im Arbeitnehmer-Entsendegesetz.
An der Wohnsituation dieser Arbeitnehmer*innen gibt es viel Kritik. Was soll sich hier ändern?
Die Wohnsituation dieser Beschäftigten wird durch die Überarbeitung der bestehenden Bestimmungen für die Unterbringung durch den Arbeitgeber verbessert. In die Arbeitsstättenverordnung werden neue branchenübergreifende Mindestanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte aufgenommen, die auch dann gelten, wenn die Unterkünfte außerhalb des Betriebsgeländes liegen. Außerdem werden die in vielen Branchen üblichen Koppelungen arbeitsvertraglicher Regelungen mit Vereinbarungen zur Unterbringung oder Vermittlung von Wohnungen durch den Arbeitgeber erfasst.
Auch werden Arbeitgeber*innen verpflichtet, eine Dokumentation zu Gemeinschaftsunterkünften zu erstellen, in denen Angaben zur Lage, den untergebrachten Beschäftigten sowie der jeweiligen Dauer der Unterbringung anzugeben sind. Schließlich werden gemeinsam mit einer flankierenden Änderung des Bundesmeldegesetzes die Kontroll- und Vollzugsmöglichkeiten der zuständigen Landesbehörden in diesem Bereich verbessert.
Wirkt das Gesetz auch gegen (künftige) Pandemien?
Ja. Künftig kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in außergewöhnlichen Notlagen, wie beispielsweise der aktuellen Corona-Pandemie, zeitlich befristet besondere Arbeitsschutzanforderungen festlegen. Damit soll der Ausbreitung von Epedemien frühzeitig und effektiv Einhalt geboten werden.
Die Probleme in der Fleischindustrie sind seit Jahren bekannt. Warum reagiert der Bund erst jetzt?
Der Bund hat nicht erst jetzt reagiert. In den letzten Jahren wurden verstärkt Maßnahmen ergriffen und Initiativen gestartet, um die Situation in der Fleischwirtschaft zu verbessern. Dazu zählen u.a. die Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, das „Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ oder die Leitlinie „Arbeitsschutz bei der Kooperation mehrerer Arbeitgeber im Rahmen von Werkverträgen“. Doch die aktuellen Missstände haben gezeigt, dass das nicht ausgereicht hat. Deshalb kommt jetzt das Arbeitsschutzkontrollgesetz.