So sehen die zwei Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidhilfe aus
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Unabhängig von ihrer Parteienzugehörigkeit haben Abgeordnete des Bundestages zwei unterschiedliche Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe vorgelegt. Damit reagieren sie auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht, dass das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ feststellte und ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für nichtig erklärte.
Entwurf zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben
Der Gesetzentwurf „zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben und zur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung“ setzt sowohl auf das Recht auf Hilfe zur Selbsttötung als auch auf das Recht zur Hilfeleistung. Es handelt sich um einen Gruppenentwurf um die Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast, Lukas Bender und Till Steffen (Bündnis 90/Die Grünen), Helge Lindh und Nina Scheer (SPD), Petra Sitte (Linke).
Der von zwei Gruppen zusammengeführte Gesetzentwurf „orientiert sich an dem verfassungsgerichtlich erklärten Recht auf selbstbestimmtes Sterben“, erklärte Nina Scheer bei der Vorstellung des Entwurfs in Berlin. Es ermöglicht suizidwilligen Personen einen sicheren Zugang zu Arznei- und Betäubungsmitteln zum Zwecke der Selbsttötung, wenn
- der Entschluss ohne Einflussnahme gebildet und von einer gewissen Dauerhaftigkeit ist
- die Person volljährig ist, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat
- eine Beratungsstelle aufgesucht wurde (mit Ausnahmen bei Härtefällen, etwa in Palliativsituationen)
- und eine Wartefrist von mindestens drei Wochen aber nicht mehr als zwölf Wochen nach Beratung verstrichen ist
Beratungsangebot und präventive Maßnahmen
Im Vordergrund des Entwurfs steht ein flächendeckendes und umfassendes Beratungsangebot, dass Menschen mit Suizidgedanken nicht bevormudet, ihnen aber auch Hilfe zum Weiterleben vermitttelt, so die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr. Die Beratungsstellen bedürfen besonderer staatlicher Anerkennung, wobei auch Einrichtungen freier Träger sowie Ärzte und Ärztinnen anerkannt werden. Dem Entwurf liegt ein Entschließungsantrag mit rein präventiven Maßnahmen bei.
Scheer verwies darauf, dass es dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben widerspreche, wenn Hilfe im Grundsatz erneut strafbewehrt würde. „Insofern lehnt unser Antrag die Schaffung eines neuen Strafrechtstatbestandes ab“, betonte sie.
Entwurf zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung
Anders verhält es sich beim Gesetzentwurf „zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung und zur Sicherstellung der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“. Dieser will den assistierten Suizid unter Bedingungen ermöglichen, ihn aber nicht fördern und ist ein Gruppenentwurf um die Abgeordneten Lars Castellucci und Heike Baehrens (SPD), Ansgar Heveling (CDU), Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen),Petra Pau (Linke) und Benjamin Strasser (FDP).
Es erkennt das Recht auf selbstbestimmtes Sterben an und auch die Freiheit, hierfür Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen. Die freie Entscheidung, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, stehe jedem Menschen zu, doch dürfe Selbsttötung nicht zum gesellschaftlichen Normalfall werden und Suizidassistenz keine gewöhnliche Dienstleistung, sagte Heike Behrens bei der Vorstellung im Bundestag.
Neuer Paragraf 217a
Bei diesem Entwurf handelt sich um ein abgestuftes Schutzkonzept, wonach die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe nicht rechtswidrig ist, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden:
- die suizidwillige Person muss „volljährig und einsichtsfähig“ sein
- sich mindestens zweimal von einer Fachärztin beziehungsweise einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie untersuchen lassen
- mindestens ein „individuell angepasstes, umfassendes und ergebnisoffenes Beratungsgespräch“ absolvieren
Gleichzeitig soll ein neuer Paragraf 217a („Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung“) regeln, dass mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe rechnen muss, wer „seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ für eine eigene oder fremde Unterstützung oder entsprechende Mittel, Gegenstände oder Verfahren zur Suizidhilfe wirbt. Davon ausgenommen sind Ärzte und Ärztinnen sowie Beratungsstellen, die auf Personen oder Einrichtungen hinweisen, die Hilfe zur Selbsttötung leisten. Mit einer Änderung im Paragraf 13 des Betäubungsmittelgesetzes soll zudem „die Möglichkeit geschaffen werden, die Anwendung eines Betäubungsmittels zum Zwecke der Lebensbeendigung, im Falle einer nachgewiesenen freiverantwortlichen Selbsttötungsentscheidung, als betäubungsmittelrechtlich begründet anzuerkennen“. Gleichzeitig sollen auch niedrigschwellige Angebote zur Suizidprävention gefördert werden.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.