So kommentiert die deutsche Presse den Super-Wahl-Sonntag
Zum Wahlausgang in Baden-Württemberg
„Abgewählt! Für Grün-Rot reicht es nicht in die Verlängerung. Die Baden-Württemberger haben ein Fünf-Parteien-Parlament gewählt, in dem Grüne und SPD für die kommenden fünf Jahre keine Regierungsmehrheit zusammenbringen. Einer, den das wenig grämen muss, ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und das aus drei Gründen: Die Grünen haben einen Wahlerfolg historischen Ausmaßes gelandet. Der wurzelt erwiesenermaßen viel stärker im Ansehen Kretschmanns als in Programm und Positionen seiner Partei. Außerdem hat der Regierungschef zuletzt keinen Hehl daraus gemacht, wie sehr er das Regieren mit der SPD als Last empfand.“
Stuttgarter Nachrichten
„Katzenjammer herrschte hingegen bei der baden-württembergischen SPD. Bei den letzten Hochrechnungen kamen die Sozialdemokraten noch auf 12,7 Prozent und sind damit nach Grünen, CDU und AfD nur noch die viertstärkste Kraft in Baden-Württemberg. Somit liegt die Partei nochmals 10,4 Prozent unter ihrem Wahlergebnis von 2011. Schon vor fünf Jahren erzielten die Sozialdemokraten mit 23,1 Prozent ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis in der Geschichte Baden-Württembergs. Eine Katastrophe für die Traditionspartei.“
Mannheimer Morgen
Zum Wahlausgang in Sachsen-Anhalt
„Im Land hat es einen kräftigen Rechtsruck gegeben. Die AfD hat aus der Flüchtlingskrise, die alle Landesthemen überlagerte, politisches Kapital geschlagen. Die Partei ist zum Sammelbecken von Frustrierten und Enttäuschten geworden, die es „denen da oben“ mal zeigen wollten. Die SPD hat eine fürchterliche Niederlage erlitten. Spitzenkandidatin Katrin Budde hat viele Fehler gemacht. Sie wirkte im Wahlkampf wie eine Oppositionspolitikerin – obwohl sie an der Spitze einer Regierungspartei steht. Die Sozialdemokraten warben mit dem Satz: „Es ist Zeit für gute Politik.“ Damit stellten sie alles in Frage, was sie gemeinsam mit der CDU erreicht hatten.“
Magdeburger Volksstimme
„In Sachsen-Anhalt bekommt die pure Fremdenfeindlichkeit wieder Zugang zum Landesparlament. Das starke Ergebnis der AfD wird die politische Architektur des Landes erheblich verändern. Die Partei ist nun der Oppositionsführer und erhält somit auch Einfluss auf die Institutionen des Magdeburger Landtags. Dass diese Partei mit ihrem Ein-Thema-Wahlkampf „Flüchtlinge“ so stark geworden ist, das hat sicherlich auch etwas mit der Politik der Bundesregierung zu tun. Aber nicht nur. Denn in den anderen Bundesländern, in denen ebenfalls gewählt wurde, ist die AfD in den Landtagen deutlich schwächer. In Sachsen-Anhalt gibt es ein latentes fremdenfeindliches Potenzial, vor dem viele die Augen verschließen, und das die AfD nun wieder aktiviert hat.“
Mitteldeutsche Zeitung
Zum Wahlausgang in Rheinland-Pfalz
„Eine zentrale Erkenntnis dieser Landtagswahlen ist die fast vollständige Ablösung der Parteienbindung durch Personenbindung. Wer Verlässlichkeit und Haltung verkörpert, gewinnt die Wahlen. Winfried Kretschmann hat so die Grünen in Baden-Württemberg zu einer Volkspartei auf Zeit gemacht, während die Grünen in Rheinland-Pfalz bis in die Nacht noch um den Einzug in den Landtag bangen mussten.
Und Malu Dreyer hat mit ihrem ganz persönlichen Wahlsieg SPD-Chef Sigmar Gabriel die Haut gerettet, ohne dass er an diesem Wahlerfolg auch nur einen klitzekleinen Anteil hätte. Bundesweit bemerkenswert ist auch die Entzauberung von Julia Klöckner, die sich noch vor wenigen Wochen sicher in der Mainzer Staatskanzlei wähnte und von den bundesweiten Medien schon zur Merkel-Nachfolgerin hochstilisiert wurde. Klöckner ist nicht allein ihre Schaukelpolitik — pro Merkel, aber contra Merkels Politik – zum Verhängnis geworden. Mit ihrem Sturm und Drang und ihrer telegenen Ominipräsenz verkörpert sie am Ende nicht den vertrauenswürdigen Politikertypen, den die Bürger in Zeiten der Verunsicherung so sehr suchen.“
Allgemeine Zeitung Mainz
Zu allen drei Wahlen
„Der Wahltag zeigt: Alles fließt; das angeblich Sichere ist nicht sicher. Es gibt kein Naturgesetz, wonach die SPD nur noch verlieren kann; das lehrt das Beispiel Rheinland-Pfalz; die SPD verliert freilich überall dort, wo sie als kleiner Koalitionspartner figuriert. Es ist auch kein politisches Prinzip, dass es keine Wiederauferstehung gibt; die FDP ist wieder auferstanden. Und es ist auch keine Regel, dass man mit Merkel'scher Flüchtlingspolitik nur verlieren kann: Kretschmann und Dreyer haben damit gewonnen.“
Süddeutsche Zeitung
Zur Lage der CDU
„In keinem der drei Länder, in denen am Sonntag gewählt wurde, stand Angela Merkel zur Wahl. Und doch wurde überall auch über ihre Politik abgestimmt. Denn nichts treibt die Deutschen seit Monaten so um wie die Flüchtlingsfrage. Dass Merkels Kurs die CDU (und die SPD) Wähler kostet, zeigte sich in vielen Umfragen, in der hessischen Kommunalwahl und nun auch in diesen drei Wahlgängen. Die CDU konnte weder in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz wieder stärkste Partei werden. Nichts wird es mit einer Ministerpräsidentin Klöckner, die viele schon als Hoffnungsträgerin für die Zeit nach Merkel angesehen hatten. Auch in Stuttgart kam die CDU nicht wieder auf einen grünen Zweig. Auf ihm bleibt Kretschmann sitzen – obwohl, mehr aber weil er die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik über den grünen Klee lobte.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Zur AfD
„Auch wenn gern und oft anderes behauptet wurde, ist die Losung „Wählen gehen, damit die Rechten klein bleiben“ am Sonntag ziemlich grundlegend dementiert worden. In allen drei Ländern lag die Beteiligung so hoch wie seit langem nicht mehr – und die AfD hat trotzdem so drastisch an Stimmenanteilen gewonnen. Sie mobilisierte vor allem unter denen, die bei den Vorgängerwahlen noch nicht abgestimmt hatten oder schon damals rechte Parteien gewählt hatten. Erst deutlich danach kommen die Zugewinne von den „Etablierten“ – vor allem von der CDU und in Sachsen-Anhalt auch signifikant von Linkspartei und SPD.“
Neues Deutschland
Zur Lage der Grünen
„Die Grünen haben in Winfried Kretschmann immerhin einen Politiker, dem die Menschen vertrauen. Das ist viel. Das sensationelle Resultat des Superstars wird bei den Grünen auch die bundesweite Auseinandersetzung um den richtigen Kurs beeinflussen. Kretschmann wird mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 als unangreifbares Erfolgsbeispiel verkauft werden. Der Preis dafür ist hoch: das Verschwimmen der Differenzen zur CDU. Niemand hat etwas davon, wenn Grün und Schwarz zur dunkelgrünen Entengrütze zusammenflössen.“
Die Tageszeitung