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So entscheidet der Bundestag in der Corona-Krise

Diese Sitzungswoche des Bundestages ist anders: Das Corona-Virus verändert die Tagesordnung und die Art der Abstimmungen. Doch damit nicht genug: Es könnte zu einer einschneidenden Verfassungsänderung kommen, um ein Not-Parlament in Zeiten von Corona zu schaffen.
von Lars Haferkamp · 23. März 2020
Zerrbild Bundestag? Wenn wegen der Corona-Krise deutlich weniger Abgeordnete im Plenum sind, werden auch nicht mehr alle Wahlkreise repräsentiert.
Zerrbild Bundestag? Wenn wegen der Corona-Krise deutlich weniger Abgeordnete im Plenum sind, werden auch nicht mehr alle Wahlkreise repräsentiert.

Die Bundesregierung gibt den Bürger*innen in der Corona-Krise immer schärfere Verhaltensregeln vor. Dazu gehört schon seit Wochen: Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen sind zu unterlassen. Es finden weder Messen noch Gottesdienste oder Parteitage statt. Sogar die Kuppel und die Terrasse des Reichstagsgebäudes wurden geschlossen. Einige Bundestagsabgeordnete haben sich bereits mit dem Corona-Virus infiziert.

Nur noch die Fachpolitiker im Plenum

Aber der Bundestag soll in dieser Sitzungswoche mit über 700 Abgeordneten zusammenkommen? Nein, entschieden die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen. Stattdessen sollen möglichst nur die Fachpolitiker*innen der aufgerufenen Themen an den Plenarsitzungen teilnehmen. Das verkürzt das Infektionsrisiko massiv.

Das erreicht der Bundestag auch dadurch, dass die Tagesordnung deutlich zusammengestrichen wurde. So wird es keine Befragung der Bundeskanzlerin geben, die sich übrigens selbst in Quarantäne befindet wegen des Kontaktes zu einem coronainfizierten Arzt. Es wird in dieser Sitzungswoche weitgehend um Gesetze gehen, die sich um die Bewältigung der Corona-Krise drehen.

Problem: die Beschlussfähigkeit des Bundestages

Doch ein Problem bleibt: die Beschlussfähigkeit des Bundestages. Sie ist erst gegeben, wenn mehr als die Hälfte der Parlamentsmitglieder im Plenum anwesend sind. Sollte die Beschlussfähigkeit angezweifelt werden, wie zuletzt immer wieder von der AfD, muss per Hammelsprung die Zahl der Abgeordneten nachgezählt werden.

Ist der Bundestag nicht beschlussfähig, ist die Sitzung zu beenden. Um diesem Problem aus dem Weg zu gehen, soll nun das Quorum für die Beschlussfähigkeit des Parlamentes drastisch gesenkt werden: von bisher 50 auf nur noch 25 Prozent der Abgeordneten.

Kanzlermehrheit ist nötig

So einfach geht das aber nicht, wenn wie geplant in dieser Woche die Notfallregelung zur Lockerung der Schuldenbremse in Kraft gesetzt werden soll. Dafür ist nämlich die so genannte Kanzlermehrheit nötig, das ist die absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und die liegt bei 355 Abgeordneten. Um das Infektionsrisiko bei so vielen Parlamentarier*innen möglichst klein zu halten, sollen die meisten Abgeordneten die Debatte nicht im Plenarsaal, sondern in ihren Büros verfolgen. Abstimmen sollen sie per Urne außerhalb des Plenarsaals.

Eine klare Lösung dieser Probleme, wie zur Zeit in Berlin diskutiert wird, böte eine Änderung des Grundgesetzes. Hier gibt es bisher im Zuge der Notstandsgesetze eine Regelung nach Artikel 53 a für den „Gemeinsamen Ausschuss“. Der regelt exakt, wie die politische Arbeit in Deutschland weitergeht, wenn Bundestag und Bundesrat am ordnungsgemäßen Zusammenkommen gehindert sind. Dieses Notparlament aus deutlich weniger Parlamentarier*innen hat nur einen Nachteil: Es wird nur dann tätig, wenn „das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht“, so das Grundgesetz. Für eine Virus-Pandemie hat das Grundgesetz keine Vorkehrungen getroffen.

Wird das Grundgesetz geändert?

Hier ließe sich durch eine entsprechende Grundgesetzänderung Abhilfe schaffen. Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert bereits aus einem Aktenvermerk des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, der eine „weitgehend wörtliche Übernahme bestehender Vorschriften zum Verteidigungsfall“ in einem neuen Grundgesetzartikel 53 b vorschlägt. Es würde dann ein „Notausschuss“ die Arbeit des Parlamentes übernehmen, „wenn aufgrund einer Seuchengefahr“ dem Zusammentritt des Bundestages „unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen“.

Ob es zu einer solchen Verfassungsänderung kommt, ist noch unklar. Zum einen gibt es Vorbehalte gegen einen so massiven Eingriff in das Grundgesetz. Zum anderen müssten dazu zwei Drittel der 709 Bundestagsabgeordneten zustimmen. Und so viele Parlamentarier*innem möchte man aus gesundheitlichen Gründen eigentlich nicht zusammenrufen in der gegenwärtigen Corona-Krise.

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