Ein Vorbild für Inklusion: Im Bonner Haus Müllestumpe arbeiten junge Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, besuchte am Mittwoch den besonderen Integrationsbetrieb mit Hotel und Restaurant.
Angela Baltzer ist eine lebenslustige junge Frau. Die 34-Jährige gilt als exzellente Waffelbäckerin, schwärmt für Borussia Dortmund und ist seit zehn Jahren Redaktionsmitglied von „Ohrenkuss... da rein, da raus“, dem bundesweit einzigen Magazin von Journalisten mit Down-Syndrom. Die Bonnerin arbeitet als Küchenhilfe im Haus Müllestumpe. Im April 2012 bezogen sie und elf weitere Menschen mit geistiger Behinderung die neuen Appartments des Vereins. Das Betreute Wohnen ist eines der Vorzeigeprojekte des Hauses Müllestumpe, weil es für seine Bewohner einen wichtigen Schritt in Richtung Eigenständigkeit darstellt.
Die Vorsitzende der Lebenshilfe und frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt besuchte nun Angela Baltzer und ihre Kollegen. Mit dabei: der Bonner Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber und Landtagsabgeordneter Bernhard „Felix“ von Grünberg. „Die uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben ist zwar in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben, die Realität sieht derzeit aber noch anders aus“, betonte Kelber. Das Haus Müllestumpe beweise, dass es auch anders geht.
In Hotel und Restaurant arbeiten derzeit sieben Menschen mit Behinderung und zwölf Menschen ohne Handicap; außerdem 13 Aushilfen. „Wir sind eine große Familie“, sagt Betriebsleiterin Erika Prokogschuk. Durch das Wohnprojekt können geistig behinderte Menschen noch mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, schildert Angela Baltzer: „Jeder hat seine eigene Wohnung, kann selbst kochen und einkaufen.“ Die Appartments sind eingerichtet wie andere Wohnungen auch, die Badezimmer barrierefrei. Ein Aufzug führt ins Obergeschoss zum Aufenthaltsraum mit Lehrküche.
Mittagessen im Integrationsbetrieb
Bei einem Rundgang informierten sich die Gäste über das innovative Wohnprojekt sowie das Leben und Arbeiten im Haus Müllestumpe. Bei einem Mittagessen mit Bewohnern und Mitarbeitern erläuterte der Geschäftsführer des Trägervereins, Ralf Ramacher, weitere Hintergründe.
„Menschen zusammenführen – auf neuen Wegen“, ist das Anliegen des 2009 eröffneten Hauses. Der Trägerverein verfolgt drei grundlegende Ziele: das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern; Menschen mit Beeinträchtigungen zu helfen, selbstbestimmt und selbständig zu leben; sowie an einer inklusiven Gesellschaft mitzuarbeiten.
Neben dem Arbeits- und dem Wohnprojekt bietet der Verein Kunst- und Kultur-Workshops für Menschen mit und ohne Behinderung. Die gestalterische Auseinandersetzung mit einem Werkstoff wird nicht nur als ein wichtiges Mittel zur persönlichen Entwicklung gesehen, sondern auch als ein Medium der Begegnung und des Miteinanders. So gibt es ein Malatelier, eine Tonwerkstatt, eine Holzwerkstatt, eine Steinbildhauerei und eine offene Fahrradwerkstatt.
Erinnerungsfoto mit Joachim Gauck
Oleksandre Vatt (25) arbeitet im Hotel des Hauses und zeigt eins der neun Zimmer mit insgesamt 22 Betten. Patrick Dohmen (22) hat als Thekenkraft im Eingangsbereich schon Bundespräsident Joachim Gauck bedient. Das großformatige Erinnerungsfoto hängt im Flur des Restaurants, der Ausschnitt aus der örtlichen Zeitung in Dohmens Appartment im Betreuten Wohnen. Dort zeigt auch Angela Baltzer stolz ihre eigenen vier Wände und sagt: „Das ist mein Traumhaus.“