Ein Beispiel dafür liefert die Gmünder Ersatzkasse (GEK). Sie ist mit 1,5 Millionen Versicherten die fünftgrößte bundesweit tätige Ersatzkasse und lag mit einer Steigerung von 11 Prozent bei
den Arzneimittelausgaben im letzten Jahr unter dem Bundesdurchschnitt. Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hatte im letzten Jahr weniger für Arzneimittel ausgegeben als die Vereinigungen
in den anderen Bundesländern.
Wie lässt sich die Steigerung der Arzneimittelkosten erklären?
Mit ihrem gut entwickelten Promotionssystem hat die Pharma-Industrie einen großen Einfluss auf Ärzte. Die Arzneimittelhersteller finanzieren neun von zehn wissenschaftlichen Studien,
Kongresse und Medienkampagnen für verschiedene Krankheiten. Ärzte besitzen Praxissoftware von Pharmavertretern, mit der sie auf der Suche nach Medikamenten gezielt die Produkte bestimmter Firmen
finden. Die Pharmalobby beteiligt sich auch an der Formulierung neuer Gesetze. Über all diese Aktivitäten erreichten die Produzenten von Arzneiprodukten eine Umsatzsteigerung von neun Prozent im
letzten Jahr.
Dabei sind Generika, Arzneien, deren Patentschutz ausgelaufen ist, in der Regel billiger als Originalpräparate oder sogenannte Analogprodukte, neue Medikamente mit Patentschutz und dem
gleichen Nutzen.
Generika oder wirkliche therapeutische Innovationen, stehen in den Verkaufslisten der Pharmahersteller unten. Statt dessen werden teure Originalprodukte wie Pantozol und Nexium bzw.
Analogprodukte beworben.
Nur bei knapp 75 Prozent aller generikafähigen Verordnungen würden die kostengünstigen Alternativen genutzt, so Dieter Hebel, Vorstandsvorsitzender der Gmünder Ersatzkasse. 85- 90 Prozent
wären problemlos erreichbar. Auf die teureren Analogpräparate ohne therapeutischen Fortschritt entfallen heute im Arzneimittelmarkt 25-30 Prozent des Umsatzes. Sie seien die Hauptursache für die
Kostensteigerungen bei einer gesetzlichen Krankenkasse.
Was kann getan werden, um Kosten einzusparen?
Hebel schlägt vor, auf umstrittene Arzneimittel und Analogpräperate ohne Zusatznutzen zu verzichten und auf kostengünstigere Generika zurückzugreifen. Bei der Gmünder Ersatzkasse hätten so
mit 40 Millionen Euro 13 Prozent Arzneimittelausgaben des Jahres 2004 eingespart werden können. Alle gesetzlichen Krankenkassen würden nach Hochrechnungen der GEK rund drei Milliarden Euro
einsparen.
Prof. Glaeske vom Bremer Zentrum für Public Health und Pflegeforschung rät, Ärzten industrieunabhängige Informationen mit Therapie- und Preisvergleichen zur Verfügung zu stellen. Sein
Institut versteht sich nicht nur als gesundheits- und pflegewissenschaftliches Kompetenzzentrum, sondern will seine Forschungsergebnisse auch Politik und Praxis zugänglich machen.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns schlägt u.a. eine Positivliste für Medikamente vor, die von der GKV erstattet werden. Hier sollten nur jene Medikamente aufgenommen werden, deren Preis
vorher in einer Ausschreibung festgelegt worden seien. Die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie Frankreich, Österreich und Schweden verfügen bereits über Positivlisten.
Auch in Deutschland hatte die rot-grüne Regierung die Positivlisten ins Gespräch gebracht, sie aber nicht politisch durchsetzen können.
Außerdem sollten bundesweite, zeitnahe Informationssysteme über die von Ärzten veranlassten Arzneikosten in die Praxissoftware integriert werden. Dies würde eine Selbststeuerung bei der
Verschreibung von Arzneien ermöglichen.
Nicht minder wichtig sei die Patienteninformation. Die GEK z.B. hatte im vergangenen Jahr 20.000 Versicherte über die Möglichkeit, gleichwertige aber kostengünstigere Medikamente zu nutzen,
informiert. 20 Prozent der Versicherten waren auf die günstigeren Produkte umgestiegen.
Positive Ansätze sieht Prof. Glaeske z.B. auch im Bonus-Malus System des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG). Hier kann anhand der durchschnittlichen Tagestherapiekosten
erkannt werden, welche Ärztinnen und Ärzte in bestimmten Arzneimittelgruppen unnötig teuer verordnen. "Der Malus, der vom Honorar gezahlt werden muss, könnte eine nachhaltige Wirkung auf die
Arzneimittelauswahl haben", so Glaeske.
Gute Ideen sind gefunden, sie sollten möglichst schnell flächendeckend umgesetzt werden.
Karin Müller
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