Inland

Seit einem Jahr schweigt Beate Zschäpe

von Thomas Horsmann · 9. Mai 2014

Der Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre vier Mitangeklagten geht in das zweite Jahr. Doch ein Ende ist nicht abzusehen. Vor dem Oberlandesgericht München wird wohl auch 2015 noch verhandelt werden.

Seit 110 Verhandlungstagen beschäftigt sich das Oberlandesgericht München unter Vorsitz von Richter Manfred Götzl mit den Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Es ist wohl einer der wichtigsten Prozesse der Nachkriegsgeschichte, geht es doch um die Aufklärung einer bis heute beispiellosen Verbrechensserie. Es geht um zehn Morde, zwei Bombenattentate und über ein Dutzend Banküberfälle, die vom NSU innerhalb von zehn Jahren begangen wurden. Mutmaßliche Täter waren die Rechtsradikalen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die am 4. November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall Selbstmord begingen.

Zum NSU soll aber auch Beate Zschäpe gehört haben, die mit den beiden Uwes jahrelang im Untergrund zusammenlebte. Sie ist wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Beteiligung an den Morden und den Sprengstoffanschlägen angeklagt, zudem soll sie an den Banküberfällen beteiligt gewesen sein. Außerdem wird ihr schwere Brandstiftung vorgeworfen. Die anderen vier Angeklagten, Ralf Wohlleben, Carsten S., Holger G. und André E., müssen sich wegen Beihilfe verantworten.

Zeugen mit Gedächtnislücken

Seit der Mammut-Prozess vor einem Jahr, am 6. Mai 2013, unter großem öffentlichem Interesse begonnen hat, sind etwa 250 Zeugen gehört worden. Sie sagten bislang zu neun Morden an Migranten aus der Türkei und Griechenland aus und zum Mord an einer Polizistin. Sie berichteten über den Brand in der Frühlingsstraße in Zwickau, dem letzten Versteck des NSU-Trios, das mutmaßlich von Zschäpe in Brand gesteckt wurde.

Zuletzt wurde das Umfeld von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe beleuchtet. Doch die Zeugen aus dem rechten Dunstkreis schützen immer wieder Erinnerungslücken vor, haben nichts gesehen und gehört. Ebenso leiden manche Ermittler und Verfassungsschützer an Gedächtnisschwäche. Das macht den Prozess unter anderem so mühsam und langwierig. Denn Richter Götzl befragt die Zeugen beharrlich und hartnäckig mit geradezu stoischer Ruhe, lädt sie ein ums andere Mal vor. Und nicht nur er fragt, auch die Bundesanwälte und die Verteidiger befragen die Zeugen, hinzu kommen die 60 Anwälte, die die etwa 90 Nebenkläger vertreten. Letztere wünsche sich, dass das Gericht die verstockten Zeugen deutlich härter anfassen möge, doch im Großen und Ganzen wird der souveränen Prozessführung von Richter Götzl Respekt gezollt.

Zschäpe schweigt

Ein weiterer Grund, warum der Prozess noch lange dauern wird und viele weitere Zeugen gehört werden müssen, liegt am Schweigen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe. Nur wenn sie reden würde, könnte der Prozess abgekürzt und die Qual und das Leid der Angehörigen der Opfer gemildert werden. Doch sie hat im Prozess nur einmal ganz kurz etwas gesagt, als Richter Götzl sie nach ihrer Gesundheit fragte. Verstehen konnte man auf der Zuscherempore allerdings nichts. Die anderen Angeklagten schweigen ebenfalls. Nur Carsten S. äußerte sich umfassend und belastete Ralf Wohlleben. Holger G. verlas nur Stellungnahme, beantwortete aber keine Fragen.

Was immer wieder für Streit im Gerichtssaal sorgt, ist der durchaus verständliche Wunsch der Nebenkläger, sämtliche Details der Taten des NSU, das Versagen der Polizei und die Verstrickungen des Verfassungsschutzes aufzuklären. Eine Aufgabe, an dem bereits mehrere Untersuchungsausschüsse gescheitert sind. Den Wunsch der Nebenkläger kann das Gericht auch gar nicht erfüllen, denn ihm muss es darum gehen, die Schuld der Angeklagten nachzuweisen und nicht über Dinge zu sprechen, die mit den Tatvorwürfen nichts oder nur ganz entfernt zu tun haben.

Prozess ist auf gutem Weg

Um die Schuldfrage zu klären, muss Richter Götzl Mosaikstein für Mosaikstein zusammentragen und bewerten. Und er muss akribisch darauf achten, dass das Verfahren rechtsstaatlich einwandfrei abläuft, damit sein Urteil später auch Bestand hat. Bislang jedenfalls sehen die Beteiligten den Prozess auf einem guten Weg.

Allerdings gehen die Meinung auseinander, ob Zschäpe schon etwas nachgewiesen werden konnte. Die Verteidigung sieht sich darin bestätigt, dass sie nichts von den Taten ihrer Freunde wusste. Die Anklage sieht deutliche Beweise dafür, dass Zschäpe im NSU-Trio gleichberechtigt war und sogar die Finanzen der Gruppe in der Hand hatte. Ob das im juristischen Sinn für eine Mittäterschaft reicht, ist bislang unklar. Lediglich bei der Brandstiftung in der Frühlingsstraße scheint die Beweislage eindeutig zu sein.

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Thomas Horsmann

ist freier Journalist und Redakteur.

 

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