Jedermann kann sich mit Bitten und Beschwerden an den Bundestag wenden. Entgegengenommen werden sie vom Petitionsausschuss. Die Zuschriften machen das Parlament auf Mängel in der Gesetzgebung aufmerksam. Manchmal sind sie aber auch einfach nur skurril.
Plötzlich ist es vorbei mit der harmonischen Stimmung am Messestand des Deutschen Bundestages. Gerade hält der Petitionsausschuss auf der Bremer Verbrauchermesse Hanselife eine öffentliche Sprechstunde ab. Da schreitet eine ältere Frau in Turnschuhen entschlossen auf den Tisch zu, an dem der SPD-Abgeordnete Klaus Hagemann sitzt. Während sie sich setzt, wettert sie los: „Ein vereintes Europa funktioniert nicht.“ Die Deutschen würden stets nur für andere Länder zahlen. Deshalb sei nun nichts mehr für ihre Rente da. Und die Deutsche Wiedervereinigung sei im Übrigen auch keine gute Idee, weil zu teuer gewesen.
Klaus Hagemann hört sich das eine Weile an, dann beginnt er entschlossen zu widersprechen. Doch mit seinen Argumenten dringt er kaum zu der Frau durch, die sich mehr und mehr in Rage redet. Schließlich stapft sie schimpfend davon.
Stänkern ist erlaubt
Klaus Hagemann bleibt verdutzt zurück. „Das geht mir richtig zu Herzen“, sagt er. Dabei ist er Kritik gewohnt. Als Mitglied des Petitionsausschusses ist es sein Job, Beschwerden aus der Bevölkerung anzunehmen. „Bei uns kann man stänkern“, sagt der 64-Jährige zu den Leuten, die auf der Messe zu ihm kommen.
An diesem Tag stänkern die Besucher besonders oft gegen die LKWs, die lärmend durch Dörfer und Kleinstädte im Bremer Umland fahren, um die Mautgebühren auf der A 27 zu sparen. „Schreib doch mal direkt eine Petition, dann schauen wir uns das vor Ort an“, rät Hagemann einem Rentner, der sich darüber beschwert, dass diese Transporter Straßen und Häuser beschädigen.
Eine Petition ist ein Anliegen, mit dem sich jeder Bürger an den Bundestag wenden kann. Das können Einzelpetitionen sein – wie Beschwerden über die Entscheidung einer Behörde – oder politische Petitionen, in denen neue Gesetze gefordert werden. Allein im vergangenen Jahr erreichten den Petitionsausschuss mehr als 15 000 Petitionen.
Eine Antwort gibt es immer
„Jeder bekommt eine Antwort“, versichert Klaus Hagemann. Mindestens ein Abgeordneter der Regierungskoalition und einer der Opposition müssen zu jeder Petition Stellung nehmen. Was genau mit der Zuschrift geschieht, entscheidet der Petitionsausschuss, der aus fünf Optionen wählen kann. Sie reichen von „abschließen“ (die Petition wird abgelehnt) über „erwägen“ (die Regierung muss innerhalb von acht Wochen mitteilen, wie sie mit der Petition umgeht) bis „berücksichtigen“. Bei Letzterem wird die Regierung aufgefordert, das vom Petenten Geforderte innerhalb von vier Wochen umzusetzen. Rechtlich gebunden ist die Regierung an dieses Ausschuss-Votum allerdings nicht. „Nur in der Hälfte der Fälle wird die Petition auch tatsächlich umgesetzt“, sagt Hagemann.
Doch selbst eine abgelehnte Petition kann dazu führen, dass bestehende Gesetze noch einmal überarbeitet werden. Als Seismograf des Parlaments versteht sich der Petitionsausschuss. Die Zuschriften decken auf, wenn ein Gesetz in der Praxis Auswirkungen hat, die vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren. Und sie machen auf Themen aufmerksam, die in der Öffentlichkeit zu wenig diskutiert werden.
Ein Erfolg: Bestattungsrecht für „Sternenkinder“
Ein solches Thema waren zum Beispiel die sogenannten „Sternenkinder“. Nach bisheriger Gesetzeslage wurden Fehlgeburten, die weniger als 500 Gramm wogen, nicht in die Personenstandsregister eingetragen. Damit wurde ihnen auch das Recht auf eine würdevolle Bestattung verweigert – eine bestürzende Nachricht für viele Eltern. Eine Petition forderte die Regierung im vergangenen Jahr auf, die 500-Gramm-Grenze abzuschaffen. Mit Erfolg: Das Bundeskabinett beschloss im Mai, dass alle Eltern von Sternenkindern eine Sterbeurkunde erhalten sollen.
Eingereicht werden können Petitionen von Jedem und Jeder. Wer für sein Anliegen 50.000 Unterschriften sammelt, darf es sogar persönlich in einer öffentlichen Sitzung vor dem Petitionsausschuss vortragen. Für das weitere Verfahren gilt aber: Jede Petition wird gleich behandelt, auch wenn sie nur von einer einzigen Person unterschrieben wurde.
Eine Altersgrenze gibt es übrigens nicht. „Ein kleines Mädchen hat uns mal geschrieben, sie wolle eklige Tiere verbieten“, erzählt Stefan Schwartze, der ebenfalls für die SPD im Petitionsausschuss sitzt. Auch mit dieser Petition musste sich der Ausschuss sorgfältig beschäftigen. Am Ende erhielt das Mädchen aber eine Absage. Schwartze: „Die Abgeordneten konnten sich nicht einigen, wie man eklige Tiere definiert.“
Info: Die Internetseite des Petitionsausschusses finden Sie hier.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.