Die Debatte um Gleichstellung hat deutlich an Fahrt gewonnen. Beim Empfang der SPD-Bundestagsfraktion zum Internationalen Frauentag 2014 am Mittwoch steht vor allem eines im Mittelpunkt: Es braucht gesetzliche Regelungen. Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig arbeitet daran.
Gesetzliche Regelungen sind ein Muss, sonst geht es mit der Gleichstellung nicht voran. Ob es um Strategien gegen Lohndiskriminierung geht, um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen oder darum, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu bekämpfen, ohne Regeln geht es nicht. Doch an diesem Punkt gehen die Meinungen zwischen Union und SPD auseinander.
Freiwilligkeit bringt es nicht
Bei den Koalitionsverhandlungen hatte sie manchmal den Eindruck, „wir kommen von unterschiedlichen Sternen“, sagt Frauen- und Familienministerin Manuela Schwesig. Die Union wollte Gleichstellung ohne gesetzliche Regelungen, sowohl bei der Quote als auch beim Thema Entgeltgleichheit setzte sie auf Freiwilligkeit. Doch „Freiwilligkeit bringt es nicht“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Söhnke Rix. „Wir müssen den Koalitionspartner überzeugen, dass wir Sanktionsmöglichkeiten brauchen.“
Bis Ende 2014 will Schwesig deshalb Eckpunkte für Regeln festlegen, die in Unternehmen für mehr Transparenz bei der Entgeltgleichheit sorgen. Die Lohnlücke betrage weiterhin 22 Prozent, sagt sie. Zudem will sie die indirekte Lohndiskriminierung beseitigen. Auch Schwesig hätte sich bei den Koalitionsverhandlungen mehr gewünscht. Doch inzwischen sei sie pragmatisch, erklärt sie. „Mir ist es lieber, wir fangen jetzt mal an“.
Denn was jetzt konkret im Koalitionsvertrag stehe, reiche nicht, betont Heide Pfarr, ehemalige Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans Böckler-Stiftung. Man müsse Unternehmen über Entgeltberichte dazu zwingen, etwas zu tun. „Doch die CDU sagt, Gesetze sind schädlich.“ Da es mehr Entgeltgleichheit in Betrieben mit Betriebsrat gebe, verweist Pfarr mit Blick auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen auf die Rolle der Gewerkschaften. Doch um erfolgreicher zu werden, müssten auch die weiblicher werden, sagt sie.
Dass die Gesetzlichkeit kommt, ist ein Dammbruch
Im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist hingegen die gesetzliche Einführung von Geschlechterquoten in Vorständen und Aufsichtsräten. Die Bundesfrauenministerin ist zuversichtlich: „Mit Heiko Maas habe ich einen Justizminister an meiner Seite, der hilft, diese Regelungen auf den Weg zu bringen.“ Leitlinien für ein Gesetz zur Förderung von Frauen in Führungspositionen will sie schon in den nächsten Wochen vorlegen.
Ramona Pisal, Präsidentin des Deutschen Jursitinnenbundes e.V (djb), weiß aus eigener Erfahrung, dass niemand etwas geschenkt bekommt. Von 2009 bis 2013 hat der djb in jedem Jahr alle 30 DAX-Unternehmen sowie 45 weitere börsennotierte Unternehmen besucht und dabei so unangenehme Fragen gestellt, wie: „Warum sind so wenig Frauen im Aufsichtsrat? Haben Sie vor, das zu ändern, und wenn ja, wie? Warum sind dann wieder nur Männer zur Wahl vorgeschlagen?“
Die Bilanz wurde in einer Studie zusammengefasst. „Sie ist ernüchternd“, sagt Pisal. „Es geht nur mit Zwang“, fügt sie hinzu und rät zu verbindlichen Zielvorgaben. Doch dass die Gesetzlichkeit kommt, so Pisal, „ist ein Dammbruch“.
Quote ist keine Kampfdebatte
SPD-Fraktions-Vize Carola Reimann ist überzeugt, dass die Frauen die Argumente auf ihrer Seite haben. Die Quote sei keine „Kampfdebatte“, erklärt sie, „sondern eine Weiterentwicklung“. Auch Unternehmen müssten begreifen, dass es für sie von Vorteil ist, wenn Frauen in Führungspositionen sind. Pisal hingegen warnt: „Vernunftsargumente ziehen nicht“, sagt sie. Schwesig stimmt zu. Auch die McKinseyStudie, wonach Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen erfolgreicher wirtschaften, habe nicht dazu geführt, mehr Frauen zu befördern. „Das zeigt, dass es nicht um objektive Argumente geht“, ist sie überzeugt. „Es geht um Plätze und um Macht.“
Um Macht und vor allem um viel Geld geht es im Menschenhandel und in der Zwangsprostitution. Mit 20 Milliarden Euro Umsatz weltweit liegt das Geschäft mit der Ware Mensch knapp unter der Gewinnspanne, die im Drogenhandel zu erzielen ist. Die Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Eva Högl erklärt zunächst, dass sie Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution bekämpfen will, nicht aber die legale Prostitution. Für letzteres gelte es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, so Högl.
Monika Frommel, ehemalige Direktorin des kriminologischen Instituts der CAU Kiel, gibt zu Bedenken, dass beim Menschenhandel viele Verfahren eingeleitet werden, es aber kaum zu Verurteilungen komme. „Steuerhinterziehung ist hier Routine“, sagt sie. „Wir brauchen eine Gewerbeaufsicht, wie sie Gaststätten haben“. Schwesig teilt ihre Forderung: „Prostitutionsstätten brauchen klare Vorschriften“, sagt sie.
Deutlich wird an diesem Abend im Reichtagsgebäude anlässlich des diesjährigen Frauentages, dass die Debatte um Gleichstellung deutlich an Fahrt gewonnen hat. „Man spürt den langen Arm der neuen Frauenministerin“, erklärt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. „Die Voraussetzungen, dass endlich Schwung in die Gleichstellung kommt, waren noch nie so gut wie heute“, fügt er hinzu und appelliert an das Publikum. „Zum Erfolg brauchen wir aber auch die Unterstützung von Ihnen und allen engagierten Frauen und Männern aus den Verbänden und Gewerkschaften".
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.