Inland

Schwesig: 14 Millionen Beschäftigte profitieren von Gesetz zur Lohngerechtigkeit

Frauen verdienen oft weniger als Männer, das soll sich ändern. Das Bundeskabinett hat heute einen Gesetzentwurf für mehr Lohngerechtigkeit beschlossen. Die SPD-Forderung konnte damit gegen starke Widerstände im Kabinett durchgesetzt werden.
von Yvonne Holl · 11. Januar 2017
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„Es geht darum, mit einem Tabu zu brechen. Mit dem Tabu, nicht über Geld zu sprechen“, erklärte Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig am Mittwoch nach der Kabinettsitzung.  Das „Gesetz zur Förderung von Transparenz von Entgeltstrukturen“ soll für die Privatwirtschaft ebenso wie für den öffentlichen Dienst gelten und greift ab einer Firmengröße von 200 Mitarbeitern. Betroffen sind 14 Millionen Beschäftigte.

Sie haben künftig einen individuellen Auskunftsanspruch über das durchschnittliche Gehalt, dass Mitarbeiter des jeweils anderen Geschlechts für vergleichbare Tätigkeiten erhalten.

Unternehmen ab 500 Beschäftigten müssen zudem regelmäßig berichten, wie es bei Ihnen um Gleichstellung und Entgeltgleichheit bestellt ist und welche Maßnahmen zur Verbesserung sie einleiten.

Lohnungerechtigkeit in allen Branchen

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Dafür gibt es Gründe: Frauen arbeiten häufiger Teilzeit als Männer, haben seltener gut dotierte Führungspositionen inne und arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Branchen wie etwa der Pflege. Rechnet man diese Faktoren raus, bleiben immer noch sieben Prozent weniger Lohn für weibliche Arbeitnehmer – durch alle Branchen hindurch.

„Wir wollen, dass Frauen genauso fair bezahlt werden wie Männer“, erklärte Schwesig. Das neue Gesetz sei ein Baustein von vielen, um dies zu erreichen. Dazu gehörten auch die Einführung des Mindestlohns, die Frauenquote in Aufsichtsräten und das Rückkehrrecht aus Teilzeitbeschäftigung.

Schon bisher konnten Frauen aufgrund des Gleichbehandlungsgesetzes vor Gericht gehen – wenn Sie nachweisen konnten, dass männliche Kollegen mehr verdienen. „Aber viele Frauen wissen gar nicht, ob sie bisher gerecht bezahlt werden, oder nicht. Meist erfahren sie nur durch Zufall von Ungerechtigkeiten“, so Schwesig. Durch das neue Gesetz stünden ihnen nun endlich die nötigen Informationen zur Verfügung.

Widerstand von Union und Arbeitgeberverbänden

Dem heutigen Kabinettsbeschluss gingen harte Kämpfe voraus. „Wir haben zwei Jahre an dem Gesetz gearbeitet, ein Jahr lang wurde es in der Regierung beraten“, so Schwesig. „Ich wusste vorher, das würde eines der am härtesten umkämpften Gesetze.“

Kritik kam aus der Union und von Arbeitgeberverbänden. Die kritisierten überbordende Bürokratie und fürchteten ein „Ausspionieren“ von Kollegen.

Beide Punkte bestritt die Frauenministerin: Schon bisher bestehe für Firmen zu vielen Sachlagen eine Berichtspflicht, daran werde angedockt. Von Ausspionieren könne keine Rede sein, das nicht konkrete Gehälter preisgegeben würde, sondern Durchschnittgehälter so genannter Vergleichsgruppen. Dies sind mindestens sechs Arbeitnehmer, die dem jeweils gegenteiligen Geschlecht des Fragestellers angehören und vergleichbare Aufgaben ausführen. Ein Mann kann also auch Auskunft verlangen, wie viel Geld seine Kolleginnen im Schnitt verdienen.

Boni und Dienstwagen zählen mit  

„Für mich ist das eine Frage der Gerechtigkeit“, so Schwesig. Diese komme nicht nur Frauen zu Gute, sondern „jedem Mann, der möchte, dass seine Partnerin fair bezahlt wird und jedem Vater, der seine Tochter gerecht entlohnt sehen will“.

Streit hatte es vor allem um die Frage gegeben, was genau offen gelegt werden muss. Die Union wollte nur das Bruttogehalt festhalten und Zusatzwerte wie Boni, Dienstwagen oder Diensthandy außen vor lassen. Der Kompromiss sieht so aus, dass das Bruttogehalt plus zwei solcher Zusatzentgelte genannt werden müssen.    

Das Gesetz sei „ein echter Durchbruch“ lobte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht. „Die neue Transparenz wird dazu führen, dass Frauen gleiche Bezahlung einführen können.“ Die SPD-Fraktion werde sich „mit Nachdruck“ für eine zügige parlamentarische Beratung einsetzen. „Eine weitere Blockade des Gesetzes durch die Unionsfraktion werden wir nicht hinnehmen“, so Lambrecht. Denn nach dem Kabinettsbeschluss muss das neue Gesetz noch den Bundestag passieren.

Autor*in
Yvonne Holl

ist Redakteurin für Politik und Wirtschaft.

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