Schutz, Standards und Steuergelder: Worum es im Masken-Streit geht
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Um was geht es eigentlich?
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat im Frühjahr 2020 in China produzierte Masken zum Schutz vor Infektionen mit dem neuen Coronavirus eingekauft. Diese Masken sind bis heute nicht gemäß der europäischen Norm auf die Schutzwirkung gegen das Coronavirus geprüft worden, wie es bei den bekannten FFP2-Masken zum Beispiel der Fall ist. Stattdessen wurde bis Oktober 2020 mit reduzierten Kriterien und im Schnellverfahren geprüft. Inzwischen gelten neue Standards und es wird ausführlicher geprüft. Dennoch fehlt den im Frühjahr in China erworbenen Masken immer noch die CE-Kennzeichnung, die eine Prüfung nach EU-Norm garantiert. Dabei geht es laut „Spiegel“ um mehrere hundert Millionen Masken, die aus China importiert worden sind. Kostenpunkt: Rund eine Milliarde Euro nach Berichten des „Spiegel“.
Die Masken, über die sich das Gesundheitsministerium und das Arbeits- und Sozialministerium (BMAS) streiten, sind also nicht nach den aktuell gültigen Standards geprüft und dürfen deswegen derzeit nicht verteilt werden. Dennoch wollte das Gesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) offenbar diese Masken an Obdachlose, Arbeitslose und Menschen mit Behinderung abgeben. Nicht ausreichend geprüfte Masken für vulnerable Gruppen? Dagegen sperrte sich das BMAS von Hubertus Heil (SPD), dessen Zustimmung es hierfür gebraucht hätte.
Warum ist das Prüfverfahren so wichtig?
Um sicherzustellen, dass die Masken wirksam vor einer Übertragung des Corona-Virus schützen und es keine Gesundheitsrisiken beim Gebrauch gibt, muss das Material genormte Prüfverfahren durchlaufen. Deswegen gilt seit Oktober unter der Mitwirkung des Arbeitsministeriums einheitlich für den deutschen Markt das „CPA“(Corona-Pandemie-Arbeitsschutzmaske)-Verfahren, bei dem auch untersucht wird, ob sich die Schutzwirkung der Masken ändert, wenn sie über einen längeren Zeitraum (bei der Arbeit) getragen werden.
Da die in China produzierten Masken ohne entsprechende Zertifizierung waren, entwickelte das Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit TÜV und Dekra ein Schnellverfahren zum nachträglichen Testen für den deutschen Markt. Das Verfahren liegt aber noch unter dem CPA-Niveau, was das BMAS als Mindeststandard ansieht.
Worüber streiten sich die beiden Ministerien jetzt?
Das Gesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) ist nach wie vor der Meinung, dass die zusätzlichen Prüfungen für die Schutzwirkung gegen das Coronavirus irrelevant sind. Zusätzlich verweist Spahn darauf, dass vor allem das Arbeitsministerium darauf gedrängt hatte, die vulnerablen Gruppen schnell zu versorgen. Das Arbeits- und Sozialministerium hält dagegegen und kritisiert, dass ausgerechnet an Obdachlose, Arbeitslose und Menschen mit Behinderung nicht vollständig geprüfte Masken verteilt werden sollten, während sich andere Bevölkerungsgruppen inzwischen bessere, vollständig geprüfte Masken kaufen können. Diese Kritik teilen Vertreter*innen verschiedener Parteien und Sozialverbände.
Das Arbeitsministerium verweist dabei darauf, dass Masken, die nur dem schwächeren Prüfverfahren entsprechen, eben auch einen geringeren Schutz gegen das Coronavirus böten. Dass die besagten Masken bis heute nicht nachträglich nach dem jetzt gültigen Standard überprüft worden sind, begründet Spahn damit, dass eine zusätzliche Prüfung Monate gedauert hätte. Allerdings war im Oktober auch schon absehbar, dass die Pandemie noch lange nicht vorbei ist, wie das Gesundheitsministerium in einem Statement selbst prognostiziert. Und auch die Beschaffung neuer Masken nach aktualisiertem Sicherheitsstandard wäre zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen: Im Oktober waren Atemschutzmasken hinreichend vorhanden und keine Mangelware mehr.
Was wird noch kritisiert?
Sozialdemokrat*innen und Vertreter*innen von Grüne bis hin zur FDP sowie Sozialverbände kritisieren den Gesundheitsminister massiv für den Versuch, nicht nach der geltenden Norm geprüftes Material an gefährdete Gruppen zu verteilen – die Kritik reicht von „zynisch und inakzeptabel" bis hin zu „menschenverachtend“. Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken warf Jens Spahn eine „beispiellose Verachtung“ von Teilen der Gesellschaft vor. Auch aus den Reihen der Grünen zeigte sich beispielsweise die Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erschüttert, die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sprach gegenüber dem „Spiegel“ von einem „inakzeptablen“ Vorgehen, der Paritätische Wohlverband von einem „erschütternden Menschenbild“.
Was wird nun aus den nicht ausreichend geprüften Masken?
Die Masken sollen nun eingelagert werden als nationale Notreserve – so ist es im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben. Sollte eine weitere Pandemiewelle ausbleiben oder kein Mangel bei der Schutzausrüstung herrschen, dürften die gelagerten Masken allerdings irgendwann ihr Verfallsdatum überschreiten. Dann müssten die ungenutzten und nicht ausreichend geprüften Masken dann vernichtet werden.