Das TV-Duell zwischen Martin Schulz und Jean-Claude Juncker verlief zunächst harmonischer als erwartet. Beide forderten eine diplomatische Lösung im EU-Konflikt und bekannten sich zum Euro. Doch als es um die Steuerpolitik ging, wurden die Unterschiede zwischen den Kandidaten deutlich.
Gleich mit seinem Eingangsstatement zeigte der Sozialdemokrat Martin Schulz, warum er für Klartext bekannt ist. „Jean-Claude Juncker steht für ein Europa, das hinter verschlossenen Türen tagt“, attackierte er den Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP).
In der Folge verlief das TV-Duell am Donnerstagabend jedoch weitgehend harmonisch. Das lag auch an den vorgegebenen Themen. Beide Kandidaten waren sich einig, dass der Konflikt um die Ukraine nur mit diplomatischen Mitteln und nicht mit Waffengewalt zu lösen ist. „Wir haben genügend Soldatenfriedhöfe in Europa“, brachte es Juncker auf den Punkt. Und Schulz erinnerte daran, dass viele Menschen in der Ukraine von der EU erwarten, dass sie sich um sie kümmert.
Beide Kandidaten verteidigten auch das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Die These von einer massenhaften Einwanderung in die Sozialsysteme wiesen sie zurück – womit sich Juncker gegen die CSU stellte, die ebenfalls der EVP angehört. Schulz: „Die kriminelle Ausbeutung von Einwanderern, die zum Beispiel für 2,50 Euro in Schlachthöfen arbeiten, belastet unsere Sozialsysteme wesentlich mehr.“ Schulz forderte auch eine neue Einwanderungspolitik der EU, die es Menschen erleichtert, legal in die EU einzuwandern.
Juncker legt sich nicht fest
Als es um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei ging, trieb Schulz Juncker in die Enge. Ob dieser grundsätzlich nun für oder gegen einen Beitritt sei, wollte Schulz wissen und hakte mehrfach nach. Juncker wollte sich aber nicht festlegen. Schulz selbst kritisierte die Politik des türkischen Premierministers Erdogan, hielt aber am langfristigen Ziel einer Aufnahme der Türkei fest. Ein Zuschauer sorgte dann für den größten Schlagabtausch des TV-Duells, indem er das Thema Steuern aufwarf. Schulz forderte europäische Mindeststeuersätze, Juncker befürwortete steuerlichen Wettbewerb zwischen den EU-Staaten.
Was sehen sie als ihr wichtigstes Projekt an, wenn sie Kommissionspräsident werden? Diese Frage sollten die beiden Kandidaten zum Schluss beantworten. Juncker kündigte an, solide Staatsfinanzen in den Mittelpunkt zu stellen. Schulz versprach, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, „weil sie das soziale Gewebe zerstört“.
Info:
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Stimmen zum TV-Duell:
„Schulz bläst zur Attacke. Immer wieder geht er auf Jean-Claude Juncker los, ist hochkonzentriert und knallhart. (...). Juncker wirkt neben ihm ruhig und müde.“
bild.de
„Der bessere Stilist? War eindeutig Schulz. Angriffslustiger, klarer, ehrgeiziger. Juncker verströmt den Charme des abgebrühten, alternden Vollprofis, der in 4.723 Brüsseler Verhandlungsnächsten schon alles erlebt hat und der selbst nicht so recht weiß, warum er jetzt auch noch Präsident der Europäischen Kommission werden will.“
stern.de
„Martin Schulz und Jean-Claude Juncker suchen im TV-Duell zur Europawahl den Konflikt. Häufig finden die Spitzenkandidaten von Sozialdemokraten und Konservativen stattdessen Einigkeit.“
sueddeutsche.de
Ein hellwacher Martin Schulz hat Jean-Claude Juncker müde und ziemlich alt aussehen lassen. (...) Juncker war die vergangenen 20 Jahre Chef des Steuerparadieses Luxemburg und hat Politik für Banken und Finanzkonzerne gemacht. Martin Schulz engagiert sich seit 20 Jahren als Parlamentarier für mehr Transparenz und Offenheit.
Yasmin Fahimi, SPD-Generalsekretärin
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.