EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisiert die Vielstimmigkeit der Europäer in der Auswärtigen Politik: „Wollen wir als Akteur der internationalen Politik wirklich ernst genommen werden, müssen wir nationale Befindlichkeiten hinter uns lassen und zu einer wirklichen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik finden.“
Herr Schulz, nach einer weiteren russischen Invasion in die Ostukraine wollte die EU bei ihrem Gipfel am Wochenende weitere Sanktionen gegen Russland beschließen. Nun hat sie die Entscheidung verschoben. Warum?
Es zeigt sich immer mehr, dass Russland im Ukraine-Konflikt zündelt. Das kann uns in Europa nicht egal sein. Es droht die reale Gefahr, dass es zu einer direkten Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland kommt. Das wäre fatal! Deshalb wird die internationale Gemeinschaft eine Antwort auf das russische Verhalten finden. Der EU-Gipfel vom vergangenen Samstag hat die EU-Kommission beauftragt, neue Sanktionen vorzubereiten und vorzuschlagen, die im Laufe diese Woche dann beschlossen werden sollen. Das ist der normaler Ablauf und kein Verschieben.
Wäre es angesichts der Ukraine-Krise nicht nötig, jetzt Schritte für eine wirkliche gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu unternehmen?
Als Europäer haben wir eine gemeinsame Linie beim Thema Ukraine. Es gab verschiedene diplomatische Initiativen, um den Konflikt einzudämmen, und als EU haben wir gemeinsame Sanktionen gegen Russland beschlossen. Aber richtig ist, dass es gerade im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik noch zu oft in Europa auseinander läuft, weil Brüssel hier wenig Zuständigkeiten besitzt. Das schwächt unsere internationalen Einflussmöglichkeiten. Die Menschen erwarten, dass die EU eine aktivere Rolle auf internationaler Ebene spielt. Wollen wir als Akteur der internationalen Politik wirklich ernst genommen werden, müssen wir nationale Befindlichkeiten hinter uns lassen und zu einer wirklichen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik finden, die den neuen globalen und regionalen Realitäten Rechnung trägt.
Wie bewerten Sie die Personalentscheidungen des Gipfels für Donald Tusk und Federica Mogherini?
Das sind zwei gute Entscheidungen. Donald Tusk ist ein dezidierter Pro-Europäer, der sich in seinem Land sehr erfolgreich gegen anti-europäische Stimmungen gewendet hat und der Polen zu einem dynamischen Land mit hohem Wachstum gemacht hat. Mit Federica Mogherini kommt frischer Wind in die europäische Außenpolitik und ich bin überzeugt davon, dass sie in den kommenden Jahren ihren Beitrag zur Stärkung der europäischen Gemeinsamkeit leisten wird. Mogherini hat ja bereits in ihrer Partei als internationale Sekretärin gearbeitet und war dann lange Jahre Vorsitzende des italienischen Auswärtigen Ausschusses, bevor sie Außenministerin in Rom wurde. Insofern hat mich manche voreilige Kritik an ihr überrascht.