Scholz zu Merz im Bundestag: „Willkommen in Alices Wunderland!“
IMAGO/Christian Spicker
Über den Haushalt zu beschließen, gilt als Königsrecht des Parlaments. Der Begriff stammt noch aus einer Zeit, als es in Deutschland tatsächlich eine Monarchie, aber auch Anfänge des Parlamentarismus gab. Doch auch heute gehört die Debatte über den Haushalt zu den wichtigsten innerhalb eines Jahres im Bundestag. Traditionell wird die Generaldebatte vom Oppositionsführer eröffnet, in diesem Fall Friedrich Merz, Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU. Er nutzte seine Rede für deutliche Kritik an der Bundesregierung, die aus seiner Sicht eine „historische Chance“ verpasst habe.
Doch die Retourkutsche von Bundeskanzler Olaf Scholz folgte sogleich: „Als ich Ihnen gerade zugehört habe, musste ich an Alice im Wunderland denken. Alles, was groß ist, reden Sie klein. Alles, was in Ihrer Rede erst einmal logisch klingt, ist in Wirklichkeit blanker Unsinn.“ Scholz wies darauf hin, dass die Gasspeicher zu annähernd 100 Prozent gefüllt seien, „weil diese Regierung nicht nur redet, sondern handelt“. So habe die Ampel-Koalition Deutschlands Abhängigkeit von Gas, Kohle und Öl deutlich reduziert und sorge dafür, dass erneuerbare Energien schneller ausgebaut würden als bisher.
„Und das ist gut für unser Land“
Auf Merz' Kritik, der Verteidigungsetat für das kommende Jahr sei zu niedrig bemessen, erwiderte Scholz: „Wir werden und wir wollen zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Bundeswehr ausgeben.“ Mit dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro sei jedoch ein langfristiger Plan verbunden. „Nicht schnelle, hektische PR-Erklärungen, Herr Merz“, machte Scholz deutlich. Es gehe darum, sicherheitspolitisch auf der Höhe der Zeit zu sein, „nachdem Verteidigungsminister der CDU und der CSU unsere Streitkräfte über viele Jahre vernachlässigt haben“.
Die Bundesregierung führe Europa zusammen, „und das ist gut für unser Land“, sagte Scholz. Er wies auf die eröffneten EU-Beitrittsperspektiven für die Ukraine, Moldau und Georgien sowie das beschleunigte Aufnahmeverfahren für die Staaten des Westbalkans hin und erinnerte an seine Prager Rede, in der er klare Vorstellungen von der Zukunft Europas formuliert habe – „etwas, auf das der französische Präsident und andere jahrelang warten mussten“.
Scholz: „Wer das glaubt, glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen“
Innenpolitisch investiere die Ampel-Koalition mit voller Kraft, „damit Deutschland nicht das Land der Funklöcher, kaputten Brücken und verspäteten Zügen“ bleibe. Beispielhaft nannte er die geplante Einführung eines bundesweit gültigen 49-Euro-Monatstickets für den öffentlichen Nahverkehr. „Diese Bundesregierung räumt auf mit Versäumnissen, trotz Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation und gestörter Lieferketten“, sagte Scholz und wies darauf hin, dass die von ihm geführte Regierung bereits rund 100 Gesetze auf den Weg gebracht habe. „Sie reden von Entlastungen, aber stimmen dagegen. Wir setzen Entlastungen um“, entgegnete er Merz.
Anschließend kam er noch einmal auf den Kinderbuchklassiker zurück, weil Merz in einer Rede argumentiert hatte, nicht 16 Jahre unionsgeführter Bundesregierungen, sondern die seit einem Jahr amtierende Ampel-Koalition sei für viele Probleme in Deutschland verantwortlich: „Wer das glaubt, der glaubt auch an sprechende weiße Kaninchen. Willkommen in Alices Wunderland! Willkommen in der Realität der CDU/CSU, in der die Welt auf dem Kopf steht.“
Bis 2045 klimaneutral
Die Ampel-Koalition fühle sich dagegen weiterhin dem Fortschritt verpflichtet, sagte der Bundeskanzler: „Das ist der Geist, der diese Bundesregierung weiterhin trägt. Unser Land braucht Veränderung. Ein bloßes Weiter so ist keine Option. Die Partei des Weiter so sitzt jetzt in der Opposition und dort gehört sie auch hin.“ Die nächsten Jahre seien entscheidend, um gut durch die Krise zu kommen, aber auch um Deutschland bis zum Jahr 2045 zu einem der ersten klimaneutralen Industrieländer zu machen: „Genau das streben wir an und wir werden das schaffen.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo