Scholz bei ProSieben: Entspannt, energisch, entschlossen
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„Let me infotain you!“ – mit diesem Slogan bewirbt ProSieben die Talk-Sendung zur Bundestagswahl am Mittwochabend mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Und das ist es zunächst auch, eine etwas holprige Mischung aus Unterhaltung und politischer Informationsvermittlung. Anfangs geht es um die Frage, ob sich der Vizekanzler früher einmal mit seinen Brüdern geprügelt habe. Um es vorwegzunehmen: Nein, hat er nicht. Die Wirtin von Scholz' früherer Stammkneipe in Hamburg-Altona referiert über dessen damaliges Trinkverhalten. Gerne ein frisch gezapftes Bier oder gemeinsam mit seiner Frau Britta Ernst ein Glas Wein.
Moderator Louis Klamroth versucht sich mit Humor und wirkt dabei sehr bemüht, wenn er Scholz beispielsweise fragt: „Können Sie sich an die Frau erinnern oder waren Sie jedes Mal besoffen?“ Nein, war er nicht.Der Kanzlerkandidat bleibt auch bei dieser Frage gelassen und wird für seine Geduld belohnt. Denn dann geht es tatsächlich doch noch um politische Inhalte und die Forderungen der SPD im Bundestagswahlkampf. Bei früheren Politik-Sendungen stand der Sender in der Kritik, seine Gäste zu sehr zu schonen und größtenteils Gefälligkeitsfragen zu stellen. Das ist heute nicht der Fall.
Für Vermögenssteuer und höheren Mindestlohn
Olaf Scholz führt aus, warum er schon im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen will. Der Moderator konfrontiert ihn mit einer persönlichen Erzählung von einem, der deutlich weniger verdient hat. Lukas Krämer arbeitete eine Zeit lang in einer Behindertenwerkstatt für 1,35 Euro pro Stunde. „Das ist ganz klar Ausbeutung“, kritisiert er. Scholz verspricht: „Ich bin dafür, das System neu zu sortieren.“
Der SPD-Kanzlerkandidat begründet auch, warum er sich dafür ausspricht, die Vermögenssteuer wieder zu erheben. Sehr reiche Menschen müssten einen höheren Beitrag leisten, fordert er. Nachdem die Vermögenssteuer in Folge eines Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ausgesetzt wurde, habe sich nie wieder eine gesetzgeberische Mehrheit dafür gefunden, sagt Scholz und kommt zu dem Schluss: „Und deshalb muss ich jetzt unbedingt Kanzler werden.“ Weniger begeistert ist eine Landwirtin, die ihre Angst äußert, in Folge einer Vermögenssteuer Teile ihrer landwirtschaftlichen Flächen verkaufen zu müssen. Scholz weist darauf hin, dass es die Landwirtschaft ebenso wie die Vermögenssteuer seit Jahrhunderten gebe und sie nicht um die Existenz ihres Betriebes bangen müsse.
Deutlich mehr Strom produzieren
Vor der anschließend folgenden Werbepause sagt Klamroth: „Jetzt machen wir eine kurze Pause, dann sprechen wir mit einem Mann, dessen Dorf weggebaggert wird, in Folge der Politik, die Sie wollen.“ Eine polemische Anmoderation, doch tatsächlich folgt der wohl hitzigste Moment der Sendung. Christoph Schmitz erzählt, dass seine Familie seit 200 Jahren auf einem Hof lebe, der durch den fortschreitenden Kohleabbau davon bedroht sei, weggebaggert zu werden. Er fordert von Scholz ein Bekenntnis zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2030.
Dieser entgegnet energisch: „Wir haben beschlossen, dass wir bis spätestens 2038 aus der Kohle aussteigen. Schon jetzt schließen wir in großem Tempo Kraftwerke und Tagebaue.“ Aber es brauche auch Ersatz für die wegfallende Stromerzeugung aus Atomenergie und aus Braunkohle. Deswegen sagt Scholz: „Ich bin dafür, dass wir endlich einsteigen und sich niemand drückt, wie in Baden-Württemberg, wo im vergangenen Jahr nur zwölf neue Windräder gebaut wurden.“ Der Erfolg des ganzen Vorhabens hänge unmittelbar damit zusammen, „ob wir nur Sprüche klopfen oder jetzt real handeln“, sagt er und bleibt trotz einer zweitweise hitzigen Diskussion gelassen.
Gegen Enteignungen, für mehr neue Wohnungen
Anders der Moderator, der sich offenbar ein wenig verzettelt hat. 95 Minuten hat ProSieben für die Sendung angesetzt, allerdings inklusive zweier Werbeunterbrechungen. Deswegen galoppiert Klamroth zum Schluss durch unterschiedliche Themenbereiche: mentale Gesundheit, Afghanistan, Enteignungen, Gründergeist. Jeweils ist nur Zeit für wenige Sätze. Scholz, der sich klar gegen Enteignungen auf dem Wohnungsmarkt ausspricht, schafft es dann doch noch, eines seiner Herzensthemen zu platzieren, indem er einer Aktivistin entgegnet: „Ich glaube, dass das das falsche Mittel ist, aber sie beschreiben das richtige Problem. Erstens glaube ich, dass man mehr Wohnungen bauen muss, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Zweitens will ich sichergestellt haben, dass darunter 100.000 sozial geförderte Wohnungen sind.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo