vorwärts.de: Haben wir derzeit einen Fachkräftemangel?
Ilona Mirtschin: Im Augenblick deutet er sich bei den metallverarbeitenden und pflegerischen Berufen an. Einen Mangel an Ingenieuren gibt es schon länger. Da muss man viel mehr informieren, welche Möglichkeiten und Chancen junge Leute haben, wenn sie eine solche Ausbildung machen.
Wurde in der Vergangenheit zu wenig ausgebildet?
Einerseits haben wir zu viele gering qualifizierte Arbeitslose. Eine zweite große Baustelle ist die Weiterbildung von Beschäftigten. Da ist nicht nur die Bundesagentur für Arbeit gefragt, da sind vor allem die Arbeitgeber gefragt. Drittens sind die arbeitslosen Ingenieure teilweise schon älteren Jahrgangs oder weiblich. Da geht unser Appell an die Arbeitgeber, dass nicht nur junge männliche Ingenieure gut sind sondern auch Ingenieurinnen und Ältere.
Sind Ihre Appelle erfolgreich?
Zumindest sieht man es nicht deutlich am Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Hier liegen noch Potenziale.
Welche Folgen haben die sinkenden Schulabgängerzahlen?
In Ostdeutschland gehen sie seit drei Jahren zurück. In Westdeutschland setzt dieser Prozess jetzt auch ein. Aber im Augenblick haben wir immer noch mehr gemeldete Bewerber als gemeldete Ausbildungsstellen. Es gibt noch keinen Azubi-Mangel. Es stellt sich eher die Frage, inwieweit die Ausbildungsbetriebe bereit sind, auch schwächeren Jugendlichen eine Chance zu geben.
Da müssen sich die Ausbildungsbetriebe umgewöhnen...
In den 90er Jahren hatten sie ein Luxusproblem. Sie konnten sich den besten Azubi aussuchen. Das ist heute nicht mehr so. Heute müssen sie auch den schwächeren Jugendlichen eine Chance geben, gegebenenfalls mit Unterstützung der BA.
Demnächst gehen die Babyboomer in Rente. Welche Folgen hat das?
Es gibt Berufsgruppen, in denen der Anteil der über 55jährigen besonders hoch ist, vor allem bei Lehrern, Ärzten, Apothekern, Ingenieuren. Es lohnt sich also für Jugendliche, gezielt in diese Richtung zu gehen.
Altbewerber haben immer noch größere Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, heißt es. Wie hoch ist ihre Zahl?
Im laufenden Berufsberatungsjahr vom 1. Oktober 2009 bis Juli 2010 haben sich 511 200 Jugendliche als Bewerber registrieren lassen. Von denen waren 47,4 Prozent oder 242 500 Jugendliche Schulabgänger aus den vorangegangenen Jahren. Ihr Anteil ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen, weil die BA sich sehr intensiv um sie gekümmert hat. Die BA hat z.B. durch den Ausbildungsbonus seit 2008 die Möglichkeit, Arbeitgeber zu fördern, wenn sie diesen Jugendlichen Lehrstellen anbieten.
Brauchen wir Zuwanderung?
Erstmal müssen wir sehen, dass wir das inländische Potential in Beschäftigung bringen oder so fit machen dass es in Beschäftigung kommt. Wenn darüber hinaus der absolute Spezialist in Deutschland nicht gefunden wird, dann muss man auch über ausländisches Potential nachdenken.
Wird genug getan, um die Menschen im Land fit zu machen?
Die BA hat in den vergangenen Jahren die Ausgaben für die berufliche Weiterbildung stetig erhöht. Die BA hat außerdem die Möglichkeit, bei beschäftigten Geringqualifizierten und bei beschäftigten Älteren die berufsbegleitende Weiterbildung zu fördern. Die Programme sind gut gelaufen mit Ausnahme 2007 als die Konjunktur ansprang und viele Arbeitgeber gesagt haben, sie könnten jetzt keine Arbeitnehmer freistellen, weil ihre Auftragsbücher voll seien.