Das Bundesarbeitsgericht hat am Mittwoch entschieden, dass Leiharbeiter, die nach Tarifen der Christlichen Gewerkschaften für Zeitarbeit bezahlt wurden, rückwirkend einen höheren Lohn verlangen können. Wegweisend an diesem Urteil sei, dass das Bundesarbeitsgericht dort korrigiert, wo der Gesetzgeber nicht handelt, sagt Ursula Engelen-Kefer im Interview mit vorwärts.de.
vorwärts: Was bedeutet dieses Gerichtsurteil für die Leiharbeit?
Ursula Engelen-Kefer: Die Entscheidung ist zu begrüßen. Die Christlichen Gewerkschaften hatten die damals eingeführte gesetzliche Regelung, dass für Leiharbeitnehmer schlechtere Tarife abgeschlossen werden können als für die Stammarbeitskräfte, genutzt, um Tarifverträge mit einem Stundenlohn unter 6 Euro abzuschließen. Das hat das ganze Lohnniveau nach unten gezogen.
Man muss bedenken, dass sich die Leiharbeit seit 2003 verdreifacht hat. Die Löhne liegen bis zu 40 Prozent niedriger als die der vergleichbaren Stammbelegschaft. 12 Prozent der Leiharbeiter sind Aufstocker. Das bedeutet, dass das Gehalt nicht zum Leben reicht.
Ist das Urteil eine Wiedergutmachung oder eine Korrektur?
Das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2010 entscheiden, dass infolge der niedrigen oder unzulänglichen Mitgliederzahl diese Gewerkschaften keine Tarifkompetenz haben und damit ihre Tarifverträge unlauter sind. Hier hätte der Gesetzgeber bereits handeln müssen. Es wurde aber lediglich eine Lohnuntergrenze eingezogen. Das ist jedoch nicht zu vergleichen mit der gewerkschaftlichen Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, weil diese Lohnuntergrenze Niedriglöhne nicht verhindert. Das ist das Fatale. Trotz der massiven Dumpingbedingungen bei den Leiharbeitnehmern, deren Zahl zudem noch explodiert ist, hat der Gesetzgeber bis heute nicht vernünftig gehandelt, um diese Praktiken zu unterbinden.
Ist das nicht ein Zeichen, dass der Gesetzgeber jetzt handelt müsste?
Natürlich, aber jetzt sind wir bereits im Wahlkampf. Immer wieder hören wir von Seiten der Bundesarbeitsministerin markige Sprüche, dass es so nicht gehen kann. Beste Beispiele sind die Skandale beim Online-Händler Amazon oder dem Drogerie-Discounter Schlecker. Aber bis heute ist nichts geschehen.
Ist es ein wegweisendes Urteil?
Das Wegweisende an diesem Urteil ist, dass das Bundesarbeitsgericht da korrigiert, wo der Gesetzgeber nicht handelt.
Bekommen die Leiharbeiter ihr Geld zurück?
Im Gesetz ist festgelegt, dass wenn Tarifverträge nicht wirken, das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt. Da den Christlichen Gewerkschaften die Tariffähigkeit abgesprochen wurde, haben die betroffenen Leiharbeiter das Recht, ihre Lohnrückstände einzuklagen. Das wird nicht einfach sein, denn ich vermute, dass viele kleine Leiharbeitsagenturen gar nicht mehr existieren. Gut allerdings ist, dass auch die Rentenversicherungsträger gehalten sind, die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge einzuziehen. Die haben eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung.
Ursula Engelen-Kefer leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland (SoVD). Von 1986 bis 2009 war sie Mitglied im Parteivorstand der SPD, von 1990 bis 2006 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.