Schleppende Corona-Hilfen: SPD wirft Altmaier „Chaos“ und „Versagen“ vor
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Die Kritik an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wegen der verspäteten Auszahlung von Corona-Hilfen wird immer lauter. Nicht nur aus der Wirtschaft und der Opposition – auch der sozialdemokratische Koalitionspartner spricht eine deutliche Sprache.
Sören Bartol: Altmaier verspielt Vertrauen
Für Sören Bartol, den für Wirtschaftspolitik zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, ist klar, dass „das Versagen von Peter Altmaier ganz wesentlich mitverantwortlich für die abnehmende Zustimmung zu den Corona-Eindämmungsmaßnahmen in der Wirtschaft“ ist. „Wer seiner Verantwortung nicht gerecht wird, verspielt Vertrauen“, so Bartol und zudem die „Existenz tausender Unternehmen“. Der SPD-Abgeordnete bilanziert: „Dass es fast drei Monate gedauert hat, bis das Bundeswirtschaftsministerium das Chaos einigermaßen im Griff hatte, ist Verwaltungsversagen erster Güte.“
Sören Bartol wendet sich besonders gegen die Versuche der Union, Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Mithaftung zu nehmen für das Versagen Altmaiers. „Der Bundeswirtschaftsminister war zu jedem Zeitpunkt im Vorfeld sämtlicher Beschlüsse zu den Überbrückungshilfen mit dem Bundesfinanzministerium eingebunden“ argumentiert der SPD-Fraktionsvize. „Der Unterschied ist: Olaf Scholz hat die Ergebnisse in seinem Bereich direkt umgesetzt, der Bundeswirtschaftsminister bei der Umsetzung seine Verwaltung dagegen nicht im Griff gehabt und Chaos produziert.“
Bartol macht es konkret: „Weder war die IT-technische Umsetzung ausreichend vorbereitet, noch funktionierte die Beratungs-Hotline, geschweige denn waren wichtige Partner wie zum Beispiel Steuerberater oder die Industrie- und Handelskammern eingebunden.“ Die Folge davon: „Im Ergebnis lag das Geld auf der Bank aber der Schalter zur Auszahlung war nicht besetzt.“
Achim Post: Altmaier wird zum Bremsklotz
Auch Achim Post, der für Finanzen zuständige stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, kritisiert Altmaier deutlich. „Bundeswirtschaftsminister Altmaier wird mehr und mehr zum Bremsklotz für die so dringend notwendigen Wirtschaftshilfen“, warnt er. „Die Gelder für wirklich wuchtige Wirtschaftshilfen stehen dank Olaf Scholz bereit.“ Post weiter: „Statt von Talkshow zu Talkshow zu tingeln, muss Wirtschaftsminister Altmaier jetzt endlich in seinem Ministerium die Dinge praktisch anpacken und vorantreiben.“
Das Bundeswirtschaftsministerium hinke immer noch mit der Software-Programmierung hinterher, kritisiert Post. „Das war schon bei den November- und Dezember-Hilfen ein zentrales Problem und dauert auch jetzt bei der Überbrückungshilfe 3 zu lange“, tadelt der SPD-Fraktionsvize. „Die Bürgerinnen und Bürger brauchen keinen Wirtschaftsminister, der sich für selbstverschuldete Verzögerungen entschuldigt, sondern einen, der sich selbst darum kümmert, dass es endlich schneller läuft.“ Der Kurs der SPD sei dagegen klar: „Wir wollen und werden mit Olaf Scholz an der Spitze auch weiterhin alle Finanzkraft des Staates mobilisieren, damit die Beschäftigen und Unternehmen möglichst gut durch die Krise kommen und wir starke Zukunftsinvestitionen auf den Weg bringen.“
Der Wirtschaftsminister entschuldigt sich – ein bisschen
Die Kritik an Altmaier kommt besonders aus der Wirtschaft. Seit Monaten kritisieren vom Lockdown betroffene Firmen, sie hätten bis jetzt weder die sogenannte Novemberhilfe erhalten, noch die „Dezember-“ oder „Januar-Hilfe“. Für die ab Januar fällige „Überbrückungshilfe III“ könne man bis jetzt noch nicht einmal einen Antrag stellen.
Inzwischen hat sich Altmaier zwar für seine anhaltenden Fehler entschuldigt: „Erst einmal entschuldige ich mich dafür, dass es so lange dauert. Wenn ich irgendeine Möglichkeit gesehen hätte, es zu beschleunigen, ich hätte es gemacht“, sagte er bei „Bild Live“. Zugleich aber versucht der CDU-Minister, Verantwortung an die Bundesländer abzuschieben: Diese trügen eine Teilschuld, weil sie die Hilfen „nicht administrieren“ könnten.
Bundesländer empört über Altmaier
Das löst bei den Bundesländern einen Sturm der Entrüstung aus. „Eine Frechheit!“, empört sich der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP). „Die Verantwortung für die späte Softwareentwicklung liegt ausschließlich beim Bund.“ Auch Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) weist die Kritik Altmaiers an den Ländern klar zurück: „Die Länder werden vom Bund erst ganz am Ende freigeschaltet, um die eigentliche Auszahlung zu tätigen. Da war bisher nicht das Problem.“
Die massive Kritik an Altmaier wurde am Dienstag in der Bild-Zeitung groß aufgemacht. Das Blatt titelte: „Wegen verspäteter Corona-Hilfen: Merkel und Länder-Minister gehen auf Altmaier los.“ Nach Bild-Informationen sei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwer verärgert. Sie könne nicht begreifen, warum die zuständigen Stellen „es immer noch nicht hinbekommen haben mit den Hilfen“ und dass „immer noch programmiert werden muss“, so Merkel in interner Runde. Selbst in der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag hätten die Abgeordneten laut „Der Spiegel“ gegen Altmaier rebelliert. Fraktionschef Ralph Brinkhaus habe mehreren Teilnehmern zufolge gesagt: „Es reicht jetzt. So geht das nicht weiter.“
Mittelstand: Wirtschaftshilfen zu bürokratisch und kompliziert
Deutliche Kritik kommt auch vom Mittelstand. In einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, die am Dienstag vorgestellte wurde, sagten 71 Prozent der Firmen, die Beantragung und Auszahlung der staatlichen Wirtschaftshilfen sei bürokratisch und kompliziert. Lediglich ein Drittel der befragten Firmen zeigte sich zufrieden mit der Corona-Politik der Regierung Merkel. 47 Prozent bewerteten diese dagegen als schlecht oder sehr schlecht. Knapp die Hälfte der Unternehmen kritisierte, es habe länger als vier Wochen gedauert bis eine beantragte Hilfe ausgezahlt worden sei. Bei 27 Prozent dauert es sogar länger als zwölf Wochen.
Seit Beginn der Coronakrise wurden insgesamt mehr als 80 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft bewilligt, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mit. Dazu komme noch das Kurzarbeitergeld im Umfang von rund 23 Milliarden Euro. Bei der November- und Dezemberhilfe seien bis jetzt rund 5,2 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Diese Hilfen richten sich vor allem an Firmen, die unte dem Lockdown leiden. Ihnen werden Umsatzausfälle erstattet.
Überbrückungshilfe entscheidend für die Wirtschaft
Das Hauptinstrument der staatlichen Wirtschaftshilfen ist die so genannte Überbrückungshilfe III. Mit ihr werden feste Betriebskosten wie Mieten und Strom erstattet. Der Bund hatte zuletzt eine Ausweitung dieser Hilfen beschlossen. Auch soll das vielfach kritisierte komplizierte Antragssystem vereinfacht werden. Anträge auf Abschlagszahlungen sollen dann bald möglich sein, so das Bundeswirtschaftsministerium.