Scharfe Kritik an Ermittlungen gegen netzpolitik.org
Mit scharfer Kritik haben Vertreter der SPD und Netzaktivisten auf die am Donnerstag öffentlich gwordenen Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen zwei Redakteure des Blogs netzpolitik.org reagiert. Den Journalisten André Meister und Markus Beckedahl wird vorgeworfen, durch die Veröffentlichung von als geheim eingestuften Unterlagen der Verfassungsschutzbehörden Landesverrat begangen zu haben. Das im Auftrag des Generalbundesanwalts Harald Range verschickte Schreiben kann hier eingesehen werden.
Ermittlungen gegen netzpolitik.org ein „schlechten Scherz“?
Nachdem netzpolitik.org die Ermittlungen gegen den eigenen Chefredakteur Beckedahl öffentlich gemacht hatte, hagelte es Kritik am Vorgehen der Behörden. SPD-Parteivize Ralf Stegner bezeichnete die Ermittlungen als „schlechten Scherz“, der Chef der Berliner SPD, Jan Stöß, zog gar einen Vergleich zur Spiegel-Affäre aus dem Jahr 1962.
Marco Bülow, SPD-Bundestagsabgeordneter aus Dortmund, erklärte ebenfalls auf Twitter:
Begründet wird die Einleitung der Ermittlungen mit Bezugnahme auf zwei Veröffentlichungen von netzpolitik.org aus dem Frühjahr 2015. In den Beiträgen vom Februar und April zitiert netzpolitik.org aus einem als „Verschlusssache – vertraulich“ eingestuften Bericht des Verfassungsschutzes für das Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses im Bundestag. Wegen dieser Beiträge hatte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Anzeige wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat bei der Generalbundeswanwaltschaft in Karlsruhe erstattet. Diese leitete nun die Ermittlungen gegen die beiden Journalisten und ihre unbekannten Quellen ein.
Verwunderung ruft das Vorgehen vor allem deshalb hervor, weil sich der Generalbundesanwalt in Sachen Geheimnisverrat zuletzt wenig ambitioniert zeigte. So sah Harald Range nach den Wiki-Leaks Veröffentlichungen zur Abhörung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch den amerikanischen Geheimdienst NSA die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als nicht gegeben an. Daran konnten bislang auch die späteren Veröffentlichungen zur Abhörung von Kanzleramt, drei Ministerien und mindestens zwei Amtsvorgängern Merkels nichts ändern.
Beckedahl: Journalisten dürfen sich nicht einschüchtern lassen
Auf diesen Widerspruch nahm Markus Beckedahl in einem Interview mit dem SWR Bezug: „Viele sehen das als Skandal an, dass der Generalbundesanwalt in diesen Fällen nicht ermitteln will. Für unseren Fall haben sie offensichtlich Zeit und Ressourcen. Wie das zu bewerten ist, überlasse ich gerne anderen.“ Die Einleitung der Ermittlungen gegen seine Person sieht er als „Zeichen von Nervosität auf Seiten der Bundesregierung. Sie hat Angst, dass immer weiter offengelegt wird, dass wir es bei dieser Totalüberwachung im Netz durch unsere Geheimdienste womöglich mit einem kalkulierten Verfassungsbruch zu tun haben“, so Beckedahl. Journalisten sollten sich davon nicht einschüchtern lassen, lautet seine Forderung.
Klare Worte fand auch Michael Konken, Bundesvorsitzender des Deutschen-Journalisten-Verbands (DJV). Konken bezeichnete die Ermittlungen gegen Meister und Beckedahl als „unzulässigen Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen“. Das Vorgehen des Generalbundesanwalts sei völlig überzogen und stelle einen Angriff auf die Pressefreiheit dar. Konken forderte den Generalbundesanwalt dazu auf, die Ermittlungen einzustellen.
Netzgemeinde reagiert mit Hohn und Spott
Im Netz entwickelte sich der Hashtag #Landesverrat binnen weniger Stunden zum TrendingTopic. Nicht wenige Internetnutzer transportierten ihre Ablehnung gegenüber der Aufnahme von Ermittlungen dabei mit Ironie und Sarkasmus. So twitterte die Redaktion des NDR-Magazins extra3:
Jakob Maria Mierscheid, fiktiver Abgeordneter aus den Reihen der SPD-Bundestagsfraktion, postete:
Und auch der Chaos Computer Club reagierte mit beißendem Humor auf die Einleitung von Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt gegen André Meister und Markus Beckedahl. Noch am Tag der Veröffentlichungen lobten die CCC-Mitglieder einen „Preis für Vorratsdatenspeicherung“ aus. In der Bekanntmachung heißt es, der CCC rufe dazu auf, „Generalbundesanwalt Harald Range weitere Anlässe für Einschüchterungskampagnen gegen Journalisten zu liefern“.