Inland

Saskia Esken: „Müssen uns auf schmutzige Kampagne einstellen“

Saskia Esken kämpft für die Freiheit im Netz, bekam die Schattenseiten der vermeintlich sozialen Netzwerke zuletzt aber persönlich zu spüren. Ihre Forderung: Stimmungsmache dort stellen, wo sie auftritt!
von Saskia Esken · 8. Februar 2017

Der Begriff „Fake News“ wurde noch nicht zum Unwort, aber schon zum Anglizismus des Jahres gewählt. Wir müssen wohl damit rechnen, dass uns diese gezielt verdrehte Berichterstattung im Bundestagswahlkampf begleiten wird. Um das zu verstehen und erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir die darunterliegenden Strategien und Strukturen verstehen.

Fake News als ständiger Unruheherd

Warum gibt es dieses Aufkommen von Fake News in den Sozialen Medien? Die wichtigste Währung im Netz ist Aufmerksamkeit, sind Klicks, denn sie bringen Werbeeinahmen. Profitorientierten Autoren kommt es deshalb nicht auf den Wahrheitsgehalt ihrer Bilder und Headlines an. Was eine verbreitete gesellschaftliche (Miß-) Stimmung trifft, treibt die Werbeeinnahmen hoch, und das alleine zählt. Rechte Demagogen nutzen Fake News dagegen, um für die eigene Sache Stimmung zu machen. Gerade im Wahlkampf soll die Bevölkerung mit verdrehten Informationen und der Umdeutung von Begriffen in Unruhe versetzt und den demokratischen Kräften die Möglichkeit genommen werden, in der politische Debatte mit Fakten und Argumenten zu bestehen.

Beide Akteure nutzen dabei die virale Wirkung, die durch das Liken und Teilen eingängiger Meldungen entsteht. Dazu kommt die wachsende Zahl unechter Accounts, die sich bei Facebook und Twitter als menschliche Nutzer ausgeben. Social Bots können durch automatisiertes Teilen und Favorisieren die Verbreitung eines Beitrags massiv erhöhen. Ich selbst habe mich bei Twitter mit Breitbart News, der wichtigsten amerikanischen Fake News-Plattform angelegt und habe einen Shitstorm geerntet.* Ziel einer solchen Schwarmattacke ist es, den Account eines gegnerischen politischen Akteurs lahmzulegen.

Gefangen in der Filterblase

Warum muss uns das alles beunruhigen? Auch in Deutschland informiert sich ein wachsender Anteil nicht nur der jüngeren Bevölkerung fast ausschließlich über Soziale Medien. Ihre Algorithmen führen die Auswertung der Nutzer-Gewohnheiten und das Gesetz der Masse dazu, dass Menschen in eine Filterblase geraten und nur noch Nachrichten wahrnehmen, die sie in ihrer Weltsicht bestärken, und Demagogen machen sich das zu Nutze.

Das Phänomen der eigenen Filterblase muss man ganz gezielt bekämpfen, und man benötigt eine solide kritische Distanz zur eigenen Wahrnehmung, um gerade die Meldungen, die besonders oft auftauchen und besonders eingängig erscheinen, zu hinterfragen. Es gehört schon einiges dazu, die Verlässlichkeit einer Quelle prüfen und weitere Quellen recherchieren zu können.

Es droht eine „schmutzige Kampagne“

Eine Offensive für Bildung mit und über digitalen Medien muss dringend dafür sorgen, dass Menschen der jüngeren und der älteren Generation ihren Weg finden, sich souverän ihre Meinung bilden können in diesem Dschungel von Information und Kommunikation, den das Netz und insbesondere die Sozialen Medien darstellen.

Was tun im Wahlkampf? Die meisten Parteien in Deutschland wollen auf den Einsatz von Social Bots verzichten, ein Fairness-Abkommen ist im Gespräch. Die Kommunikationsmuster und -strukturen der rechtspopulistischen AfD erinnern jedoch schon heute an Trumps Wahlkampf, und die Expansion von „Breitbart News“ nach Europa steht vor der Tür. Wir müssen uns also wohl auf eine teils schmutzige Kampagne einstellen und unsere Mitglieder und besonders die Kandidierenden dafür fit machen, diesen Wahlkampf mit Argumenten für eine bessere Politik zu bestehen.

Der Shitstorm als Berufsrisiko?

Ich selbst habe mir vorgenommen, im Wahlkampf in den Sozialen Medien wie auf der Straße direkt ansprechbar zu bleiben, auch und gerade wenn man nicht meiner Meinung ist, und ich will meine Freunde gerne dazu motivieren, mich dabei zu unterstützen. Wenn Kommentatoren ihren Mangel an Argumenten durch Beleidigung, Herabwürdigung und Hetze überblenden wollen, dann werde ich mich wehren und beende auch mal das Gespräch. Social Bots blocke ich, wo immer sie mir begegnen.

Insbesondere will ich aber auch weiterhin Strukturen, Institutionen und Organisationen entschieden entgegentreten, die mit gezielt falschen Nachrichten die Menschen verunsichern, Minderheiten diskriminieren und unsere freie und offene, demokratische Gesellschaft bekämpfen. Auch wenn mir das den einen oder anderen Shitstorm einbringt.

* Saskia Esken musste sich unlängst insbesondere über den Kurznachrichtendienst Twitter eines Shitstorms erwehren. Anlass war ihr per Tweet unter anderem an die Fluggesellschaft „Air Berlin“ versendeter Hinweis, deren Werbung werde auf der „Neonazi-Website“ Breitbart angezeigt. Zahlreiche User - echte und unechte - hatten Esken daraufhin als Denunziantin bezeichnet und sich in Tweets und Nachrtichten direkt an die Politikerin gewandt. Esken hatte Mühe, dem Ansturm auf ihre Accounts stand zu halten und kam nicht umhin, User zu löschen, zu blockieren oder besonders beleidigende Inhalte zu melden.

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